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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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unverständlich – und dazu noch mit deutlichem rheinland-pfälzischem Dialekt, was nicht überall in der Republik gut ankommt.
    Muss sich ein Politiker also verbiegen? Ein bisschen ja. Aber wenn er sich zu sehr verbiegt, merkt man ihm oder ihr das schnell an, weil alles so auswendig gelernt klingt, was aus dem Politikermund kommt.
    Wie jemand wirklich ist, kann man im Fernsehen jedenfalls oft nur erahnen. Man sieht eben doch alles nur aus der Ferne! Es gibt tatsächlich Leute, und nicht nur Politiker, die wirken im Fernsehen supernett und lustig, haben immer ein flottes Sprüchlein auf den lächelnden Lippen. Doch hinter den Kulissen sind sie in Wahrheit gar nicht nett. Andere erscheinen auf dem Bildschirm blass und spröde oder streng, aber wenn man sie persönlich trifft, können das sehr freundliche und lockere Zeitgenossen sein, mit denen man lustig ein Bier trinkt. Sie blühen regelrecht auf, wenn die Fernsehkameras aus sind. Das sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn man über Menschen urteilt, die man nur vom Bildschirm »kennt« … egal, ob Politiker, Schauspieler, Musiker oder Moderatoren: Zwischen Image und Realität, zwischen Schein und Sein können gerade im Fernsehen Welten liegen.
    Selbstdarstellung über Twitter & Co
    Der eine geht geschickt mit den Medien um, der andere nicht – aber die Spielregeln im klassischen Geschäft (Radio, Print und TV ) sind klar und allen bekannt. Inzwischen haben allerdings die sogenannten Neuen Medien ein weiteres Spielfeld eröffnet, auf dem Politiker mehr oder weniger geschickt agieren. Die Bundeskanzlerin meldet sich bereits seit 2006 mit einem wöchentlichen Video-Podcast direkt bei ihren Bürgern. Wobei das zwar einen persönlicheren Eindruck von ihr vermittelt, aber auch keinen direkten Dialog ermöglicht.
    Inzwischen verfügen jedoch alle Parteien und viele Abgeordnete über Facebook-, YouTube- und Twitter-Konten, um ihre Botschaften direkt unters Volk zu bringen. Ohne Umweg und Filter sozusagen. Man kann damit eine »Mundpropaganda« starten, ohne von den lästigen »Gatekeepern« aufgehalten zu werden. Gatekeeper – Türhüter – wird die Funktion von Journalisten im Angelsächsischen auch genannt, weil sie entscheiden, was wichtig genug ist, um gedruckt oder gesendet zu werden. Meist sind solche »Twitter-Meldungen« allerdings nicht viel anders als klassische Pressemitteilungen, die per Fax und später per E-Mail in die Redaktionen kamen. Denn richtig »prominent« wird der Twitter-Kommentar eines Politikers oft erst, wenn die anderen Medien ihn aufgreifen. Neu ist aber, dass Politiker mit ihren Twitter-Accounts eigene Communitys pflegen, mit ihnen in direkten Dialog treten, auch mal scheinbar Nebensächliches und Persönliches thematisieren. Wenn sie das authentisch machen und nicht der Eindruck entsteht, dass Pressesprecher vorformulierte Statements absondern, kann das erfolgreich sein. Sich krampfhaft auf »jugendlich« und »modern« zu trimmen, kann aber auch schiefgehen. In jedem Fall haben die neuen Kommunikationsmöglichkeiten das politische und journalistische Geschäft beschleunigt und unberechenbarer gemacht.
    Manchmal dringt auf diesem Wege zum Beispiel etwas live aus Sitzungen, was eigentlich noch hätte geheim bleiben sollen. So erfuhr man von der Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten vorab durch die Twitter-Meldung eines Mitglieds der Bundesversammlung. Auch Fotos und Teilnehmerkommentare wurden verschickt. Risiko: Der Wahrheitsgehalt solcher Kurznachrichten ist schwerer erkennbar, oft nehmen Leser sie aber für bare Münze – nach dem Motto: Wenn’s öffentlich ist, wird’s schon stimmen.
    Immer wieder wird inzwischen sogar ein Smartphone- oder zumindest ein Sendeverbot für wichtige politische Sitzungen diskutiert. Aber wer mal versucht hat, einer durchschnittlichen Schulklasse von knapp dreißig Kindern das SMS -Schreiben im Unterricht abzutrainieren, kann sich vorstellen, wie aussichtsreich diese Vorstöße sind.
    Nachdem Barack Obama seinen ersten US -Wahlkampf auch mit Hilfe der sozialen Medien gewann, weil es seinen Unterstützern gelang, damit viele junge (Nicht-)Wähler zu mobilisieren, spielt das Internet in deutschen Wahlkämpfen eine größere Rolle. Politiker und Parteien können es sich jedenfalls nicht mehr leisten, das Netz zu ignorieren.

Insider-Vokabeln aus Berlin
    Wer sich im politischen Berlin bewegt, also unter Politikern und Hauptstadtjournalisten, sollte ihre Sprache verstehen. Sie benutzen nämlich

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