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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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den Grünen »Fundis und Realos«. Sie lieferten sich in den achtziger und neunziger Jahren geradezu legendäre Kämpfe. Auf der einen Seite die linken Fundamentalisten (»Fundis«), die auf keinen Fall ihre politischen Ideale für Kompromisse verraten wollten. Auf der anderen Seite die pragmatischen Realos, die der Ansicht waren, dass es klüger ist, seine Ideale der Realität anzupassen. Während die Fundis sich also schwer damit taten, überhaupt bei einer Regierung mitzumachen, weil sie Angst hatten, sich dafür verbiegen zu müssen, fanden die Realos, dass gerade das Mitregieren eine Chance ist, um Dinge zu verändern. Der größte Realo von allen war Joschka Fischer, der so realistisch war, dass sich manche fragten, ob er überhaupt Ideale hatte. Einer seiner Gegenspieler war Jürgen Trittin. Der war zwar nie ein echter Fundi, wurde aber so verrechnet, wenn es um die Besetzung von Posten ging. Vor allem war Trittin immer Fischers persönlicher Konkurrent. Heute spielt der Kampf zwischen Fundis und Realos inhaltlich nicht mehr eine solch große Rolle bei den Grünen, obwohl immer noch darauf geachtet wird, dass es zwei Parteichefs gibt, einen von jeder Richtung. Und dabei immer mindestens eine Frau (zum Beispiel die Fundi Claudia Roth)! Fundis und Realos gibt es übrigens auch bei der Partei Die Linke. Der Linken stehen vermutlich all die Kämpfe noch bevor, die die Grünen bereits hinter sich gebracht haben. Spätestens wenn man irgendwo mitregiert, kann man nämlich gar nicht mehr so richtig voll Fundi sein.
    Gerüchteküche Damit ist Tratsch gemeint, nur dass politischer Tratsch meist nicht so harmlos ist wie der Tratsch, den sich Nachbarn oder Kollegen erzählen. Immerhin geht es dabei um Leute, die dieses Land regieren oder regieren wollen. Gerüchte sind wie Salz in der Suppe: Ohne wäre sie fad, doch ist das Salz erst mal drin im Topf, kriegt man es nicht mehr raus. In der Berliner Gerüchteküche kocht und dampft es immer, weil ständig irgendwer irgendwas über irgendwen erzählt. Köche gibt es in der Gerüchteküche unüberschaubar viele. Das Kochen von Gerüchten, der Polit-Tratsch, macht Spaß und kann sehr informativ sein. Wenn die Gerüchteküche allerdings »brodelt«, wird es für die betroffenen Politiker gefährlich. Dann ist schwer was los in der Politik, die Ereignisse überschlagen sich, und die »Meute« ist im Jagdfieber. Es werden alle möglichen Informationen ausgetauscht, die sich zum Teil widersprechen, zum Teil gezielt falsch sind, zum Teil aber auch wahr. Zum Beispiel kocht die Gerüchteküche meist wie verrückt kurz vor möglichen Rücktritten – wie zuletzt denen von Guttenberg oder Annette Schavan.
    Giftliste Manchmal müssen sich Politiker entscheiden, etwas sehr Unpopuläres zu tun. Das machen sie sinnvollerweise direkt nach einer Wahl, wenn sie der Wähler dafür nicht gleich bestrafen kann, indem er sein Kreuzchen bei einer anderen Partei macht. Die Politiker beschließen also, dass sie Steuern erhöhen müssen oder »Leistungen kürzen«. Damit sind Subventionen für Unternehmen oder Sozialhilfen für Bürger gemeint, also Geld, das der Staat auszahlt. Die einzelnen Maßnahmen werden dann auf einer »Giftliste« veröffentlicht. Sie heißt so, weil alles, was darauf steht, die Bürger »giftig« macht und Politikern schaden kann.
    Girls Camp Als »Mädchenlager« wird leicht spöttisch Angela Merkels engster Beraterstab bezeichnet, der überwiegend aus Frauen besteht. Zu diesen Vertrauten zählen insbesondere ihre Medienberaterin Eva Christiansen und ihre Büroleiterin Beate Baumann. Sie gehören beide zu den einflussreichsten Frauen in der Politik, die aber völlig unerkannt über die Straße gehen können. Dass Angela Merkel so eng mit einer Reihe Frauen zusammenarbeitet, fanden manche Männer in der CDU anfangs sehr beunruhigend. Sie fühlten sich ausgeschlossen. »Girls Camp« war insofern nicht nett, sondern eher kritisch gemeint.
    Hausmacht Ein Politiker hat in seiner Partei eine »Hausmacht«, wenn er gut »verdrahtet« ist. Das heißt: Er kennt unheimlich viele Leute gut, er wird von sehr vielen Parteimitgliedern loyal unterstützt und kann sich auf sie im Krisenfall verlassen. Umgekehrt verdanken sie ihm natürlich auch einiges und erhoffen sich von ihm die Durchsetzung ihrer gemeinsamen Ziele und Ansichten. Eine Hausmacht muss man sich aufbauen, die erwirbt man sich nicht über Nacht. Wer keine eigene Hausmacht hat, für den ist es schwer, sich in der Partei

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