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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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beschlossen, den niedrigsten Steuersatz auf 14 Prozent zu senken, der »Spitzensteuersatz« liegt weiterhin bei 45 Prozent. Solange man nicht mehr als 8004 Euro im Jahr verdient, zahlt man gar keine Steuern. Vom ersten Euro darüber werden 14 Prozent fällig (also 14 Cent pro Euro); das darunter liegende Einkommen bleibt steuerfrei. Wer also genau 8005 Euro jährlich verdient, zahlt demnach exakt 14 Cent Steuern. Bis 52881 Euro Jahreseinkommen steigt der Steuersatz recht schnell, dann etwas langsamer, bis auf 42 Prozent. Für alles oberhalb von gut 250000 Euro/Jahr (für Unverheiratete) beziehungsweise 500000 Euro/Jahr (Ehepaare) werden schließlich 45 Prozent fällig.
    Konkret heißt das: Ein deutscher Durchschnittsverdiener bekommt rund 39000 Euro im Jahr »brutto« (das heißt vor Steuern) und zahlt auf die ersten 8004 Euro keine Steuer, auf den Rest eine ansteigende Steuer zwischen 14 Prozent und 42 Prozent. Auf das Durchschnittseinkommen wären gut 8600 Euro Steuern fällig. Es bleiben 30.400 Euro »netto« (nach Steuern), das sind 2533 Euro pro Monat. Davon allerdings müssen dann noch Krankenversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung usw. bezahlt werden, bevor man den Rest endlich selbst ausgeben kann. Ein Sonderproblem ist die sogenannte Kalte Progression, von der häufig die Rede ist: Angenommen, die Gewerkschaften haben durchgesetzt, dass der Arbeitnehmer einen höheren Lohn als Inflationsausgleich bekommt. Weil die Preise gestiegen sind, soll es auch mehr Lohn geben, um das auszugleichen, andernfalls hätte der Arbeitnehmer ja real weniger Lohn, sprich: weniger Kaufkraft. Unser Arbeitnehmer freut sich: Prima, das ist fair. Er muss dann aber feststellen, dass die Rechnung so nicht aufgeht, im Gegenteil: Netto hat er plötzlich sogar weniger übrig als vor der Lohnerhöhung. Wie konnte das passieren? Der progressive Einkommensteuertarif ist schuld. Wer mehr verdient, zahlt auch höhere Steuern, zugleich frisst die Inflation den Lohnzuwachs auf. Und so kann es passieren, dass eine Lohnerhöhung sogar zu einer geringeren Kaufkraft führt. Dann hat die Kalte Progression zugeschlagen.
    Kompliziert genug. Die Einkommensteuer wird aber noch zusätzlich an die individuellen Einkommensverhältnisse des Bürgers angepasst. Der Steuersatz (also der Prozentanteil) wird nämlich nicht auf das ganze Einkommen erhoben, sondern nur auf das »zu versteuernde Einkommen«. Um das auszurechnen, darf man alles Mögliche abziehen (»absetzen«): All die Kosten, die man hatte, um überhaupt arbeiten und Geld verdienen zu können. Das hatte ursprünglich gute Gründe: Wenn jemand zum Beispiel viele Bewerbungen schreibt und verschickt, um einen neuen Job zu finden, ist es doch nur gerecht, wenn man die Kosten für Porto und Papier vom Einkommen abziehen kann. Schließlich hat man das Geld ausgegeben, um überhaupt welches verdienen zu können. Anderes Beispiel: Wer einen weiten Weg zur Arbeit hat, muss mehr Geld für Benzin oder Bahn ausgeben, deshalb gibt es die Pendlerpauschale, also einen anteiligen Betrag, den man vom Einkommen abziehen kann.
    Mit den Jahren ist aber an diesen Gesetzen immer wieder herumgeschraubt worden, und mittlerweile sind die deutschen Steuergesetze ziemlich schwer zu durchschauen. Viele Leute brauchen Steuerberater, um überhaupt noch klarzukommen. Je mehr Geld man zur Verfügung hat, desto mehr »Steuerschlupflöcher« gibt es dadurch auch. Man rechnet sich sozusagen ärmer, als man ist, indem man zum Beispiel Häuser kauft, die man eigentlich weder will noch braucht. Dafür gibt man erst mal Geld aus und muss weniger Steuern zahlen. Andererseits sind das oft riskante Investitionen, bei denen man mit etwas Pech auch sein ganzes Geld verlieren kann. Manche Besserverdiener, die Einkünfte haben, die nicht auf einer Lohnsteuerkarte erscheinen, schaffen Bargeld ins Ausland, statt dafür Steuern zu zahlen. Seitdem deutsche Steuerfahnder allerdings wie im Krimi Schweizer Bankmitarbeitern heimlich die Daten ihrer Kunden abkaufen (die sogenannten »Steuer-CDs«), muss man sich gut überlegen, ob es einem das wert ist. Wird man erwischt, kommen hohe Nachzahlungen auf einen zu, schlimmstenfalls sogar Gefängnis. Und ist man prominent, verliert man auch noch seinen guten Ruf. Spektakulärstes Beispiel ist der FC -Bayern-Präsident Uli Hoeneß, der ein Konto in der Schweiz hatte, auf das dort (noch) geltende Bankgeheimnis vertraute und zehn Jahre lang »vergaß«, Steuern in Millionenhöhe an den deutschen

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