Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
Bürgern Nutzungsgebühren kassieren und vielleicht nach 30 oder 40 Jahren endlich was verdienen. (Deshalb ist auch die aktuelle Privatisierung dieser Dienste außerordentlich umstritten. Der Staat will Strom-, Wasser- und alle möglichen anderen Leitungen und Netze gern verkaufen, damit schnell Geld in die Kasse kommt. Die Nutzung durch mehrere private Anbieter soll einen »Markt« entstehen und so die Preise sinken lassen. Aber das klappt nur zum Teil; Telefonie ist deutlich billiger geworden, Strom eher teurer.
Eine andere Überlegung kommt hinzu. Man weiß ja nie vorher, wen zum Beispiel die Polizei bei einem Überfall beschützen muss. Aber es könnte eben jeder sein. Deshalb hat man entschieden, dass die Kosten für die Polizei von allen gemeinsam aus der Steuerkasse gezahlt werden. Das gehört zur »Inneren Sicherheit«, so wie die Armee zur »Äußeren Sicherheit« gehört, die ein Staat seinem Volk bietet – und zwar jedem Mitglied dieses Staates, auch denen, die kaum oder gar keine Steuern zahlen können, weil sie zu wenig verdienen.
Gerechtigkeit hat jeder gern
Ein ähnlicher Gedanke gilt zum Beispiel für die Sozialhilfe oder für die Arbeitslosenversicherung. Man kann nicht vorhersagen, wer irgendwann einmal in Not geraten oder arbeitslos werden wird, aber jeder sollte dagegen abgesichert sein. Und es sollte nicht nur private Versicherungen geben, die sich ihre Kunden selbst aussuchen. Sonst bleiben viele außen vor, die »schlechten Risiken«, also Leute, bei denen man ahnt: die werden bald krank oder arbeitslos. Solche wollen private Versicherungen lieber nicht haben. Deshalb gibt es noch eine weitere Form von Steuern, die allerdings nicht »Steuern« heißen, sondern »Abgaben«, aber das ist eigentlich nur ein anderes Etikett: Auch in den »Sozialversicherungen« (Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung) spart man nicht etwas für sich selbst an, sondern das Geld wird ausgezahlt an diejenigen, die es gerade brauchen. Es wird direkt »umgelegt«. So gesehen ist das Steuerzahlen ebenso wie die Entrichtung von Beiträgen zu den Sozialversicherungen eine Art Schicksalsversicherung.
Das Ziel ist dennoch immer die sogenannte »Steuergerechtigkeit«. Niemand soll zu viel oder zu wenig zahlen. Nun kann man aber sehr unterschiedlicher Meinung darüber sein, was gerecht ist. Seit Jahren fordern Politiker, man sollte seine Steuererklärung »auf einem Bierdeckel« abgeben können. Doch statt die Gesetze zu vereinfachen, wird das Steuerrecht immer verworrener. Eine Möglichkeit wäre, zu sagen: Alle zahlen gleich viel, zum Beispiel 500 Euro im Monat, fertig. Das erscheint aber nicht sehr gerecht, denn für jemanden, der 5000 Euro im Monat verdient, sind 500 eher wenig. Für jemanden, der nur 1000 Euro verdient, sind 500 aber viel mehr und zugleich viel zu viel, denn ihm bleibt bei so wenig Einkommen ja kaum noch was übrig.
Die zweite Möglichkeit ist: Jeder zahlt einen Anteil X von seinen Einnahmen. Also zum Beispiel 20 Prozent. Wer mehr verdient, zahlt mehr, wer weniger verdient, zahlt weniger. Im Fachjargon wird das auch »Flat Tax« (flache Steuer) genannt. Wer 5000 Euro verdient, zahlt 1000 Euro Steuern. Wer 1000 Euro verdient, zahlt 200 Euro Steuern. Dabei fällt auf: Für denjenigen, der nur 1000 Euro verdient, fallen 200 Euro Steuern mehr ins Gewicht als die 1000 Euro bei dem reicheren Bürger. Es ist zwar der gleiche Prozentanteil, aber der 1000-Euro-Bürger wird sich nach der Steuerzahlung ärmer fühlen als der 5000-Euro-Bürger.
Deshalb gibt es Variante drei: Wer wenig verdient, zahlt auch prozentual weniger, wer viel verdient, zahlt prozentual mehr. Vereinfacht gesagt: Der 1000-Euro-Bürger zahlt 10 Prozent (das wären 100 Euro), der 5000-Euro-Bürger zahlt 30 Prozent (also 1500 Euro). Aber auch das ist wieder ungerecht, weil der besser verdienende Steuerzahler schon von den ersten 1000 Euro mehr Geld abgeben müsste als der Geringverdiener. So kam man auf die folgende Idee: Von den ersten 1000 Euro muss man vielleicht nur 10 Prozent Steuern zahlen (also 100 Euro), von den nächsten 1000 Euro 12 Prozent (also 120 Euro, plus die 100 Euro von eben, macht 220 Euro insgesamt), und wer 3000 Euro im Monat verdient, zahlt auf die dritten 1000 Euro 15 Prozent Steuern (150 Euro, insgesamt also 370 Euro). Man nennt das eine »progressive Steuer«, weil der Steuersatz progressiv (stufenweise) ansteigt.
Aktuell sieht das so aus: Anfang 2009 wurde
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