Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
unnötiger Luxus sind. Ronald Reagan, ein früherer US -Präsident und überzeugter Marktwirtschaftler, soll dazu mal gesagt haben: »Solange Menschen Radiergummis mit Erdbeerduft kaufen, wird der Kapitalismus überleben.« Was er damit meinte: Radiergummis mit Erdbeerduft sind zwar extrem überflüssig, machen manchen Menschen aber Spaß. Und was Spaß macht, lässt sich verkaufen. Wenn jedoch eine Behörde entscheidet, welcher Spaß sinnvoll und erlaubt ist und welcher nicht, dann ist schnell Schluss mit lustig. Die unsichtbare Hand von Adam Smith führt dazu, dass in einer Marktwirtschaft die Regale immer voll sind. In diesen Regalen steht aber auch viel »Überflüssiges«. Was auch bedeutet, dass viel weggeworfen wird. Die »Wegwerfgesellschaft« zieht deshalb immer wieder Kritik auf sich. Das Problem ist allerdings schwer in den Griff zu bekommen: In der Planwirtschaft gibt es zu wenig und kaum Produktvielfalt, in der Marktwirtschaft gibt es von allem zu viel.
Das alles ist die Theorie. In der Praxis kommen natürlich noch vielfältige Versuche hinzu, die Regeln auszunutzen oder gar zu unterlaufen. Die beliebteste Variante ist die Korruption, die kommt in allen Systemen vor, ob sozialistisch oder marktwirtschaftlich.
Wäscht man Geld bei 30, 60 oder 95 Grad?
Bestechung gibt es sowohl in Unternehmen, wenn sie Kunden »schmieren«, um an einen Auftrag zu kommen, als auch in politischen Parteien. Man denke nur an die schwarzen Kassen bei Parteispendenskandalen. Und natürlich haben auch »normale« Kriminelle schwarze Kassen, insbesondere die Mafia. Oft sind das Konten, die über Briefkastenfirmen in sogenannten Steueroasen angelegt werden, gerne auf kleinen Inseln. Aber auch Schweizer Banken gelten bekanntlich als besonders diskret. Und wozu ist das gut? Um Geld zu verstecken beziehungsweise seine Herkunft zu verschleiern. Bei der organisierten Kriminalität spricht man von Geldwäsche. Beispiel: Ein Krimineller hat Rauschgift verkauft. Natürlich gegen Bargeld; er lässt sich das ja nicht auf sein Girokonto bei der Kreissparkasse überweisen. Da würden ihm nämlich Finanzamt und Polizei auf die Schliche kommen und fragen: Hey, woher hast du die Kohle? Doch was soll er nun mit dem vielen Bargeld machen? Wenn man keine hohen offiziellen Einkünfte hat, kann man auch nicht plötzlich mit viel Geld um sich werfen und schicke Häuser kaufen, weil sonst auch wieder der Staat nachfragte. Also muss das Geld erst mal im Ausland verschwinden – und dann unauffällig und sauber wieder zu einem zurückkommen. Damit man im Nachhinein so tun kann, als habe man dieses Geld auf legale Weise verdient, um es dann endlich ausgeben zu können, ohne aufzufallen! Dafür gründet man zum Beispiel eine Firma und erfindet ein Geschäft. Das Geschäft läuft scheinbar prima, es gibt hohe Einnahmen, die in Wahrheit natürlich von dem schwarzen Konto stammen. Man zahlt sozusagen an sich selbst. Man muss zwar Steuern abführen auf das scheinbar legale Einkommen, aber angesichts der hohen Gewinnspannen bei kriminellen Einkünften nimmt ein Geldwäscher das notfalls hin. Noch cleverer wird das Vorgehen, wenn man ständig irgendwelche Firmen schließt und wieder neue gründet.
Das klingt alles viel einfacher, als es in der Praxis ist. Weshalb es übrigens oft schiefgeht, denn Finanzfahnder sind ja nicht blöd. Trotzdem ist die Versuchung groß, denn meist geht es um viel Geld.
Ähnlich ist es bei Schmiergeldzahlungen: Will ich in großem Stil jemanden bestechen, muss das in irgendeiner Form »legalisiert« werden, also nach was Sauberem aussehen. Auch hier bietet sich die Gründung einer Scheinfirma an, zum Beispiel einer Beraterfirma. Dabei lässt sich nicht so genau feststellen, was im Einzelnen gemacht wird und ob die erbrachte Leistung tatsächlich ihre Bezahlung wert ist. Man tut so, als ob diese Beraterfirma einem ausgezeichnete Tipps gegeben hätte und man ihr dafür entsprechende Honorare zahlt. Die dann ordnungsgemäß verbucht werden. In Wahrheit hat mich der Geschäftsführer dieser Firma aber nie beraten, sondern mir eine verbotene Gefälligkeit erwiesen – das Honorar ist also Bestechungsgeld.
Wie läuft so etwas in der Praxis? Zum Beispiel so: Ein Unternehmer will einen städtischen Großauftrag haben, vielleicht einen Bauauftrag, an dem er ordentlich verdienen kann. Bei öffentlichen Gebäuden, Brücken oder Straßen geht es immer um sehr viel Geld. Der Mann von der Baufirma besticht also einen hochrangigen Verteter der
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