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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Stadt. Er übergibt ihm eine saftige Spende für dessen Partei. Damit kein Zusammenhang zwischen Auftrag und Spende sichtbar wird, hortet der Politiker das Geld in schwarzen Kassen. Davon kann er zum Beispiel im Wahlkampf Plakate drucken lassen. So ähnlich lief es beim Parteispendenskandal der SPD in Köln (städtische Aufträge und später die Geldspende). Da es in dem Fall aber nicht um eine Baufirma, sondern um ein Müllentsorgungsunternehmen ging, hieß der Skandal »Müllskandal«.
    Eine andere Variante war der Parteispendenskandal der hessischen CDU . Ob auch da von den betroffenen Politikern Gegenleistungen an die Spender erbracht wurden, ist unklar und gilt als unwahrscheinlich. Erwiesen ist aber, dass rund 10 Millionen Euro Parteispenden von führenden hessischen CDU -Politikern an ihrer Partei vorbei auf Geheimkonten im Ausland gehortet wurden, wo sich das Geld gut verzinste und vermehrte. So konnten die drei Eingeweihten wie in einem Geheimbund mit dieser »Kampfkasse« nach Belieben politisch arbeiten, ohne dass ihnen andere reinredeten. Zudem wurde vermutet, dass die Spenden aus unversteuertem Schwarzgeld flossen und man sie auch deshalb nicht öffentlich machen konnte. Da legt dann vielleicht irgendein reicher Mensch dem Parteichef 100000 Euro in einem Umschlag auf den Tisch und sagt: »Mach was Gutes für uns daraus, kämpft gegen die Sozis. Aber sag nicht, dass es von mir stammt, von dem Geld weiß das Finanzamt nämlich nichts.« Auch in so einem Fall muss das Geld auf heimliche Konten, denn sonst würde es den Steuerfahndern auffallen. Eine solche Spende abzulehnen, wäre zwar korrekt, aber man muss bestimmt erst mal schlucken. Wie heißt es so schön? »Kasse macht sinnlich.«
    Zu den ganz großen Parteispendenskandalen der Bundesrepublik gehört der um Altkanzler Helmut Kohl. Bislang ist lediglich erwiesen, dass seit Beginn seiner Regierungszeit rund 20 Millionen Mark (knapp 10 Millionen Euro) in Kohls schwarze Kassen geflossen sind. Wer diese Summen zahlte, weiß man bis heute nicht, weil Kohl beharrlich schweigt. Ob er bestechlich war, also eine Gegenleistung erbracht hat, weiß man deshalb auch nicht. Kohl selbst sagt nur, er habe das Geld zum Wohle der Partei eingesetzt und den Geldgebern nie eine Gunst erwiesen. Ob das stimmt, könnte man aber auch bei ihm erst herausfinden, wenn man die Geldgeber kennen würde. Also wahrscheinlich nie.
    Schwarze Kassen beziehungsweise Schwarzgeld haben aber nicht nur Baufirmen, Politiker oder Mafiosi. Auch jeder Handwerker, der nebenbei schwarz verdient, weiß, dass er die Einkünfte dem Finanzamt vorenthalten muss. Der entscheidende Anreiz dabei ist die Steuervermeidung. Deshalb kann ein Staat die Steuern nicht unbegrenzt nach oben treiben: Irgendwann nimmt er so viel vom Verdienten weg, dass der Anreiz zur Schwarzarbeit extrem stark wird.
    Warum müssen wir so viel(e) Steuern zahlen?
    Steuern seien »ein erlaubter Fall von Raub«, sagte der Theologe Thomas von Aquin schon vor langer Zeit (er lebte von 1224 bis 1274). Die Deutsche Abgabenverordnung formuliert das etwas netter. Demnach sind Steuern allgemein definiert als »Zwangsabgaben ohne Gegenleistung«. Zwang – weil man bestraft wird, wenn man keine Steuern zahlt. Und »ohne Gegenleistung«, weil man nicht unmittelbar etwas dafür überreicht bekommt. Anders als bei Gebühren. Da zahlt man zum Beispiel 59 Euro, und dafür bekommt man einen neuen Reisepass. Die Steuern hingegen fließen alle in einen großen Topf, und dann gibt der Staat das Geld aus. Insofern erhält man als Steuerzahler letztlich doch eine Gegenleistung: Nämlich alles das, was der Staat zahlt.
    Dass eine Regierung Einnahmen braucht, um zum Beispiel den Politikern Gehälter zu zahlen und ihnen eine Versammlungshalle zu bauen, ist leicht einzusehen. Aber so viel kann das ja nicht sein – wofür geht der große Rest drauf? Im Wesentlichen für Dinge, die man sich als Privatmensch nur leisten könnte, wenn man sehr reich ist. Denn wer könnte Soldaten, Polizisten oder Grenzschutz bezahlen? Oder die Lehrer an den Schulen? Nur reiche Eltern hätten Geld für Privatlehrer. Es sollen aber alle Kinder in die Schule gehen, also muss auch die Allgemeinheit Schulen zur Verfügung stellen. Der Staat zahlt außerdem für Straßen und viele andere sogenannte »Infrastrukturen«: Telefonleitungen, Stromleitungen, Wasserleitungen, Gasleitungen, Brücken, Schienen – kein privates Unternehmen würde dafür so viel Geld hinlegen, mühsam bei den

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