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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Regierungsinstanz ein Problem allein nicht vernünftig lösen kann, kann sie es nach oben weiterreichen und sich Unterstützung holen. Gleiches gilt übrigens innerhalb der Europäischen Union: Die soll eigentlich nur regeln, was die einzelnen Länder allein nicht besser hinkriegen oder was für ganz Europa einheitlich geregelt sein muss, damit »Europa« überhaupt funktioniert. Wenn es keine Grenzkontrollen oder Zölle mehr geben soll, muss das eben für die ganze EU gelten und nicht nur für die Grenzen innerhalb Skandinaviens. Als Brüssel aber den Franzosen ihren Rohmilchkäse verbieten wollte, war das – nach Ansicht der Franzosen – ein klarer Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip. Bei der EU -Kommission sah man das etwas anders: Die Lebensmittelsicherheit soll in ganz Europa gleich hoch sein, und Rohmilchkäse erschien der Europäischen Kommission als potenziell riskant (man wundert sich allerdings, wie die Franzosen mit diesen angeblich bakterienverseuchten Käsesorten jahrhundertelang überleben konnten). So kann man sich also über die Subsidiarität wunderbar streiten, und so wird auch innerhalb Deutschlands immer wieder gestritten, was der Bund und was Länder und Gemeinden regeln sollen. Am Ende geht es dabei meist ums Geld. Wie heißt es so schön? »Wer zahlt, bestellt.« Da der Bund ziemlich viel zahlt von dem, was in den Ländern gemacht wird, redet er auch gern rein. Umgekehrt wehren sich die Städte und Gemeinden häufig dagegen, dass ihnen Bund und Länder Aufgaben aufdrücken, für die sie nicht genug Geld in der Kasse haben. Da darf’s dann gern auch mal ein bisschen weniger Subsidiarität sein.
    Das Gegenmodell zum föderalen Staat ist ein Zentralstaat, in dem alles aus der Hauptstadt vorgegeben wird und die Behörden vor Ort nur die Ausführung überwachen. Solche Staaten sind weiter verbreitet, als man denkt. China, Dänemark, Frankreich, Italien, Polen und die Türkei sind solche Einheitsstaaten, auch die DDR war einer. Die USA , Australien, Österreich oder die Schweiz hingegen sind föderalistisch organisiert.
    Die föderale Struktur soll gegenüber dem Zentralstaat noch einen weiteren Vorteil haben: Man vermutet, dass kleinere Einheiten rascher auf politische und technologische Veränderungen reagieren können. Denn kleinere Gruppen können sich schneller einigen. Das Gleiche gilt, hofft man, auch für Bundesländer – sie sind einzeln manchmal flexibler und agiler, als es ein komplexer Riesenstaat wäre. Und jedes Bundesland kann dabei – wie zum Beispiel in der Schulpolitik – einen eigenen Weg beschreiten, wobei die Absicht dahinter natürlich nicht das bildungspolitische Chaos war, das wir hierzulande haben.
    Bildungspolitik als föderales Versuchslabor
    Am Beispiel Schulpolitik zeigt sich nämlich besonders deutlich, welche Schwierigkeiten der Föderalismus mit sich bringen kann. Einig sind sich natürlich alle darin, dass Bildung unheimlich wichtig ist, vor allem wenn man mit der ganzen Welt konkurrieren muss und in einem Land lebt, das im internationalen Wettbewerb nicht mit Billiglöhnen punkten kann. Einfache Arbeiten können chinesische Wanderarbeiter machen, die als verlängerte Werkbank auch für deutsche Unternehmen arbeiten. Außerdem werden Menschen durch Maschinen ersetzt, und der Selfservice erobert unseren Alltag: Wir tanken selbst, statt den Tankwart zu bezahlen. Oder wir spielen im Supermarkt selbst die Kassiererin. In manchen Restaurants kann man schon per iPad bestellen statt beim Kellner. Das alles spart Kosten, – und es spart Jobs. Dringend gebraucht werden hingegen Hochqualifizierte, die neue Ideen und Produkte entwickeln und sogenannte Pionierunternehmen voranbringen können. Der Einzelne weiß längst: Wer eine geringe Schulbildung hat, findet später nur schwer einen Job.
    Als ich noch zur Grundschule ging, war es völlig normal, dass höchstens ein Drittel der Klasse danach aufs Gymnasium wechselte (um später zu studieren), die meisten gingen auf die Realschule und eine kleinere Gruppe Kinder auf die Hauptschule. Auch das war keine Schande und bot berufliche Perspektiven. Heute hingegen empfinden es viele Eltern schon als dramatisch, wenn ihr Kind das Abitur nicht schafft; und wenn am Ende der Schullaufbahn gar nur der Hauptschulabschluss steht, gilt das als Katastrophe. Auch wegen dieses Ansehensverlusts wurde das traditionelle dreigliedrige Schulsystem ja vielerorts aufgegeben beziehungsweise nach neuen Schulformen gesucht. Obwohl wir damals zu

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