Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
wird dann eher über die Vergleichbarkeit solcher Ergebnisse gestritten. Zugleich ist der Stress, der für Eltern und Kinder entsteht, wenn sie von einem Bundesland in ein anderes ziehen, äußerst belastend (kostet manchmal sogar ein ganzes Schuljahr) – und ärgerlich, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig verlangt wird, die Deutschen sollten »mobiler« werden, bei der Suche nach Arbeitsplätzen. Deshalb gibt es inzwischen auch Bemühungen unter einigen Bundesländern, bei der Schulpolitik stärker zusammenzuarbeiten und sie teils wieder mehr zu vereinheitlichen. Wie sich das entwickelt, ist aktuell noch nicht absehbar, aber es scheint so, als würde der Trend hier eher in Richtung »weniger Föderalismus« gehen.
Saufen fürs Land, Qualmen für den Bund, Gassigehen für die Kommune
Tatsächlich sind die Möglichkeiten der Landesregierungen, eine eigene Politik nur für ihr Bundesland zu gestalten, begrenzt, so wie auch ihre eigenen Steuereinnahmen begrenzt sind. Eigene Landessteuern sind zum Beispiel die Grunderwerbssteuer (zahlt man beim Haus- oder Wohnungskauf) oder die Kfz-Steuer. Außerdem fließt den Ländern die Biersteuer zu. Dem Bund hingegen gehört die Tabaksteuer. Wer also ein Bier trinkt und dabei eine Zigarette raucht, verschafft gleich beiden staatlichen Ebenen Einnahmen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Länder, bei denen sie tatsächlich ziemlich autonom agieren können, ist die Schulpolitik. Kein Wunder also, dass sich die Parteien hier am meisten zu unterscheiden versuchen und prompt auch jede Landesregierung ihr eigenes Programm durchsetzen will! Mit den oben skizzierten problematischen Ergebnissen.
Zu den Länderaufgaben gehört auch die Überwachung der Lebensmittelsicherheit. Weshalb bei jedem Lebensmittelskandal (Gammelfleisch etc.) der Bundesverbraucherminister sagen kann: »Ich bin empört, aber da haben vor allem die Länder versagt.« Und auch Polizei ist Landessache, Polizeibeamte sind Landesbeamte. Es gibt in Deutschland keine Bundespolizei wie das amerikanische FBI , mit Ausnahme des Bundesgrenzschutzes. Zudem gibt es auf Landesebene Behörden, die es auch auf Bundesebene gibt, den Verfassungsschutz zum Beispiel. Zu welchem Wirrwarr das führen kann, wurde bei den Morden des rechtsextremen NSU besonders schmerzlich sichtbar. Bei den Ermittlungen haben diverse Landespolizeibehörden und Landesverfassungsschutzämter aneinander vorbei- und wohl auch gegeneinander agiert.
Nicht nur die Länder, auch die Gemeinden haben eigene Einnahmen, unter anderem die Grundsteuer (zahlt man laufend als Haus- oder Wohnungseigentümer), die Gewerbesteuer oder auch die Hundesteuer. Zu den Aufgaben der Kommunen gehören unter anderem die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser (hier kommen die Stadtwerke ins Spiel), Müllabfuhr, Bibliotheken oder die Kinderbetreuung in Kitas. Manches haben sich die Kommunen allerdings nicht selbst ausgesucht, ihnen werden von Bund und Ländern Aufgaben zugewiesen. Gerade beim Ausbau der Kitas beschweren sich die Kommunen darüber, dass ein teures Versorgungsversprechen (ab 1. August 2013 besteht für jedes Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr ein gesetzlicher Anspruch auf einen Kita-Platz) auf sie abgewälzt wurde, und verlangen mehr Unterstützung von den höheren Ebenen. Den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz hat nämlich die Bundesregierung beschlossen, umsetzen müssen diese Vorgabe die Städte und Gemeinden, wobei sie dabei vom Bund allerdings finanziell unterstützt werden.
Da die jeweils eigenen Einnahmen begrenzt sind, spielen die gemeinsamen Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden eine besonders große Rolle. Die wichtigsten sind die Einkommen- und die Umsatzsteuer, die auf alle drei staatlichen Ebenen aufgeteilt werden. Eine ergiebige Einnahmequelle kann für die Länder außerdem der Länderfinanzausgleich sein. Die reicheren Länder geben den ärmeren Ländern, vor allem den drei kleinen Stadtstaaten, etwas ab. Wie weit diese föderale Solidarität gehen soll, darüber wird allerdings immer wieder gestritten. Die Länder Bayern und Hessen, die sehr viel in diesen Topf zahlen, sind 2013 sogar vor das Bundesverfassungsgericht gezogen und haben gegen den Finanzausgleich geklagt. Sie wollen ihn nicht gänzlich abschaffen, aber sie finden, dass die Ausgleichszahlungen überhandgenommen haben. Auch das gehört zum Föderalismus: Dass eine staatliche Ebene (etwa ein Bundesland) genauso vor Gericht ziehen kann wie Privatpersonen, wenn sie den
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