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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Deutschland zu informieren. Sie soll also nicht etwa Werbung für die amtierende Regierung oder eine bestimmte Partei machen, sondern für die Demokratie als solche. Dazu richtet sie u. a. vor Landtags-und Bundestagswahlen einen »Wahl-O-Mat« ein. Die Parteien werden dafür vorab nach ihrer Meinung zu aktuellen Problemen befragt. Der Benutzer wählt im Internet aus, wie er selbst die Sache sieht, was ihm wichtig ist, und bekommt auf dieser Basis eine Liste mit Übereinstimmungen. Dieser Dienst bleibt online, auch wenn gerade keine Wahl ist. Man kann also den letzten Wahl-O-Mat des eigenen Bundeslandes aufrufen und den Test machen. Es gibt auch Offlineversionen und sogar einen Wahl-O-Mat fürs Handy, alles unter www.wahl-o-mat.de.
    Und wenn gerade nicht gewählt wird, hilft das Internet trotzdem beim Politikmachen. Die Bundestagsabgeordneten zum Beispiel kommen aus einzelnen Wahlkreisen – und kennen sich dort aus. Sie sind daher der erste Ansprechpartner für Vorschläge oder Fragen. Post- und E-Mail-Adressen stehen im Internet auf www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete17/ (man muss nur die eigene Postleitzahl eingeben, dann werden alle passenden Volksvertreter angezeigt).
    Öffentlich nachlesbare Fragen lassen sich auch auf www.abgeordnetenwatch.de abschicken. Hier bekommt man vor allem grundsätzliche Informationen über die jeweiligen Ansichten.
    Und jeder Bundesbürger hat zudem das Recht, eine sogenannte Petition zu stellen – und eine Antwort darauf zu erhalten. Wer also zum Beispiel gern einen eigenen Autobahnzubringer hätte oder nur noch unterirdische Handymasten, kann das gezielt vorschlagen. Man kann eine solche Petition an die eigene Landesregierung schicken, die kümmert sich dann darum, wer zuständig ist. Fragen, die ganz Deutschland betreffen, gehen an den Bundestag. Auch online kann man Petitionen einreichen (und nachlesen): www.demokratieonline.de. Die Themen reichen von durchdachten Reformen des Steuerrechts bis zu Beschwerden über die Absetzung von Fernsehserien. Kürzlich hat zum Beispiel ein neunzehnjähriger Student via Internet eine Petition gestartet, die von 70000 Unterstützern unterschrieben wurde. Er fordert ein Gesetz, das die »Netzneutralität« festschreibt. Vereinfacht gesagt ist damit gemeint, dass Internetanbieter alle Daten im Internet technisch gleich behandeln müssen, ohne Ansehen ihrer Inhalte und Herkunft. Ein Thema, das viele junge Leute sehr bewegt und ihrer Ansicht nach von der Politik nicht ausreichend behandelt wird. Aufgrund seiner Eingabe durfte der 19-jährige Physikstudent sogar persönlich vor dem Petitionsausschuss des Bundestags sein Anliegen erläutern, und die Medien wurden auf ihn aufmerksam. So hat er als einzelner Bürger seinem Thema immerhin einige Öffentlichkeit verschafft.

Föderalismus – muss das denn immer sein?
    Bundestag, Bundesrat, Landtage, Kreistage, Stadträte. Haben die vielen deutschen »Tage« und » Räte« wirklich alle Sinn und Zweck? Auch so ein schönes Streitthema! Ist ein föderaler Staat bürgernäher und demokratischer, oder behindert uns der Föderalismus mehr, als dass er uns nutzt? Die Antwort ist wie immer ganz einfach: Es kommt drauf an. Mal so, mal so. Föderalismus macht das Regieren, also die Suche nach Mehrheiten für politische Lösungen, jedenfalls nicht leichter. Und genau darum geht es ja in der Politik: Ideen zu entwickeln und dafür Mehrheiten zu organisieren. Das ist der Kern allen politischen Handelns. Wenn nicht nur mehrere Parteien, sondern auch noch mehrere staatliche Ebenen mitreden, verkompliziert sich dieser Prozess. In der Volksrepublik China wären die Tibeter sehr glücklich über ein echtes föderales System, in dem sie eine eigene Landesregierung und ein Landesparlament wählen könnten, das uneingeschränkt bestimmt, welche Freiheitsrechte tibetische Mönche in ihren Klöstern haben und welche kulturellen Eigenheiten die Tibeter pflegen dürfen.
    Der Föderalismus kann ein wunderbares Instrument sein, um eine Nation zusammenzuhalten, gerade weil er auf den ersten Blick einen Staat eher »zersplittert«. Ich habe in Peking einmal den Newsanchor der wichtigsten chinesischen Nachrichtensendung interviewt. Ein Linientreuer natürlich – sonst wird man in der Volksrepublik kein Nachrichtenstar. Als ich ihn nach der Unterdrückung in Tibet fragte, reagierte er formvollendet empört und mit der »lustigen« Gegenfrage: »Was würden Sie in Deutschland denn davon halten, wenn die Bayern plötzlich

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