Kapitän Singleton
ich ausgesetzt war; ich erklärte ihm, ich müsse mich erschießen, denn ich könne die Last und die Angst, die mich bedrückten, nicht mehr ertragen.
„Dich erschießen?“ sagte William. „Wieso? Inwiefern wird dir denn das nützen?“
„Nun, insofern“, sagte ich, „als dann mit meinem elenden Leben Schluß ist.“
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„So“, sagte William, „bist du denn überzeugt davon, daß das nächste besser sein wird?“
„Nein, nein“, antwortete ich, „ganz gewiß viel schlimmer.“
„Nun, dann hat dir zweifellos der Teufel die Regung einge-geben, dich zu erschießen“, sagte William, „denn es ist eine teuflische Logik, daß du, weil deine Lage schlecht ist, dich in eine noch schlechtere bringen mußt.“
Dies versetzte meiner Vernunft tatsächlich einen Stoß. „Ja, aber“, erwiderte ich, „die elende Lage, in der ich bin, ist doch unerträglich.“
„Schön und gut“, sagte William, „aber anscheinend läßt sich eine noch schlimmere ertragen, und deshalb willst du dich erschießen, damit dir nicht mehr zu helfen ist?“
„Mir ist schon jetzt nicht mehr zu helfen“, antwortete ich.
„Woher weißt du das?“ fragte er.
„Ich bin davon überzeugt“, erwiderte ich.
„Nun“, sagte er, „aber sicher bist du dessen nicht, und deshalb willst du dich erschießen, um es mit Sicherheit zu wissen.
Wenn du diesseits des Todes nicht sicher sein kannst, ob du überhaupt verdammt wirst, wirst du dessen jedoch völlig sicher sein, sobald du den Schritt auf die andere Seite der Zeit getan hast, denn wenn der einmal getan ist, kann man nicht mehr sagen, du wirst verdammt werden, sondern nur noch, du bist verdammt worden. Aber sag“, fuhr William fort, als spreche er zwischen Scherz und Ernst, „was hast du eigentlich letzte Nacht geträumt?“
„Wieso?“ sagte ich. „Ich hatte die ganze Nacht über schreckliche Träume. Vor allem träumte ich, der Teufel käme mich holen und fragte mich nach meinem Namen, und ich nannte ihn. Dann fragte er mich, welches Gewerbe ich hätte. ‚Gewerbe?’ sagte ich. ‚Ich bin von Beruf ein Dieb und Schurke, ein Seeräuber und Mörder und verdiente, gehängt zu werden.’ –
‚Jaja’, sagte der Teufel, ‚das tust du, und du bist der Mann, den ich suche, komm also mit.’ Darüber erschrak ich furchtbar und 342
schrie so laut, daß ich aufwachte, und seitdem leide ich unter schrecklicher Angst.“
„Also gut“, sagte William, „komm, gib mir die Pistole, von der du eben gesprochen hast.“
„Warum“, fragte ich, „was willst du denn damit tun?“
„Damit tun?“ sagte William. „Nun, du brauchst dich nicht selbst zu erschießen, ich werde es für dich tun müssen. Denn du wirst uns noch alle ins Unglück bringen.“
„Was meinst du denn, William?“ fragte ich.
„Was ich meine?“ sagte er. „Na, was meinst denn du, wenn du im Schlaf laut brüllst: ‚Ich bin ein Dieb, ein Seeräuber, ein Mörder und verdiene, gehängt zu werden!’? Du wirst uns alle ins Verderben stürzen. Ein Glück, daß der Holländer kein Englisch versteht. Kurz, ich muß dich erschießen, um mein eigenes Leben zu retten. Also komm“, sagte er, „gib mir die Pistole.“
Ich gestehe, daß mich dies nun wieder auf eine andere Weise in Angst versetzte, und ich begann zu begreifen, daß ich, wenn sich jemand in meiner Nähe befunden hätte, der Englisch verstand, verloren gewesen wäre. Von diesem Augenblick an dachte ich nicht mehr daran, mich zu erschießen, und ich wandte mich William zu.
„Du bringst mich gänzlich durcheinander, William“, sagte ich, „ich bin tatsächlich nie in Sicherheit, und es ist auch nicht ungefährlich, in meiner Gesellschaft zu sein. Was soll ich machen? Ich werde euch alle verraten.“
„Aber, aber, Freund Bob“, sagte er, „ich werde all dem ein Ende setzen, wenn du meinen Rat befolgst.“
„Welchen denn?“ fragte ich.
„Nun, einfach den, daß du dich das nächstemal, wenn du mit dem Teufel sprichst, ein bißchen leiser mit ihm unterhältst“, sagte er, „sonst sind wir alle verloren, und du mit uns.“
Dies ängstigte mich, muß ich gestehen, und dämpfte einen großen Teil der Gemütsunruhe, in der ich mich befand.
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Nachdem William aber mit mir gescherzt hatte, begann er ein sehr langes, ernsthaftes Gespräch über das Besondere an meiner Lage und über die Reue mit mir zu führen. Er sagte, sie müsse wirklich begleitet sein von tiefem Abscheu über das Verbrechen, das ich mir vorzuwerfen hatte; an Gottes
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