Kapitän Singleton
erwiderte William, „das können wir nicht, denn wir können ja nicht mehr erfahren, wer die Eigentümer sind.“
„Was sollen wir dann aber mit unserem Reichtum anfangen“, sagte ich, „diesem Ergebnis von Plünderung und Gewalt?
Behalten wir ihn, dann sind wir auch weiterhin Räuber und Diebe, und geben wir ihn auf, können wir keine Gerechtigkeit damit üben, denn wir können ihn ja den rechtmäßigen Eige n-tümern nicht zurückerstatten.“
„Nun“, sagte William, „die Antwort darauf ist kurz. Unseren Besitz jetzt hier aufzugeben bedeutet, ihn denen hinzuschmei-
ßen, die kein Anrecht darauf haben, und uns seiner zu entäu-
ßern, ohne etwas Gutes damit zu tun; statt dessen sollten wir ihn sorgfältig beisammenhalten und beschließen, soviel Gutes damit zu tun, wie wir nur können, und wer weiß, welche Gelegenheit uns die Vorsehung in die Hände geben wird, 339
Gerechtigkeit wenigstens an einigen von denen zu üben, die wir geschädigt haben. Wir sollten die Sache also zumindest Gott überlassen und weiterreisen. Gegenwärtig besteht unsere Aufgabe zweifellos darin, uns an irgendeinen Ort zu begeben, wo wir in Sicherheit sind, und dort dürfen wir seinen Willen abwarten.“
Dieser Entschluß Williams befriedigte mich wirklich sehr, und tatsächlich war alles, was er sagt e, immer gediegen und begründet, und hätte William nicht auf diese Weise mein Gemüt beruhigt, dann wäre ich wohl, so glaube ich wahrhaftig, aus lauter Unruhe über die gerechte Strafe, die ich vom Himmel für meinen unredlich erworbenen Reichtum zu erwarten hatte, vor diesem davongelaufen als vor Teufelsgut, mit dem ich nichts zu tun hatte, das mir nicht gehörte, das ich von Rechts wegen nicht behalten durfte und das mich ganz gewiß in die Gefahr der Vernichtung brachte.
William lenkte meine Gedanken jedoch in vorsichtigere Bahnen, als es diese gewesen wären, und ich schloß, daß ich jedenfalls an einen sicheren Ort weiterreisen und die Sache Gottes allmächtiger Barmherzigkeit überlassen sollte. Ich muß aber ausdrücklich erwähnen, daß ich von diesem Zeitpunkt an keine Freude mehr an dem Reichtum hatte, den ich besaß. Ich betrachtete ihn insgesamt als gestohlen, und der größte Teil davon war es auch. Ich betrachtete ihn als eine Anhäufung vom Besitz anderer Menschen, den ich den unschuldigen Eigentü-
mern geraubt hatte und wofür ich, kurz gesagt, verdient hätte, in dieser Welt gehängt und in der nächsten verdammt zu werden. Jetzt begann ich mich ernsthaft als einen Hund zu hassen, als einen Schuft, der ein Dieb und ein Mörder gewesen war – als einen Schuft, der sich in einer Lage befand wie noch keiner vor ihm, denn ich hatte geraubt; und obgleich ich den Reichtum bei mir hatte, war es unmöglich, ihn jemals zurück-zuerstatten, und deshalb setzte ich mir in den Kopf, daß ich niemals bereuen könne, denn Reue ohne Rückerstattung könne 340
nicht aufrichtig sein und deshalb müsse ich verdammt werden.
Es gab kein Entkommen für mich. Ich ging umher, das Gemüt voll von solchen Gedanken, fast wie ein Wahnsinniger; kurz, ich stürzte mich Hals über Kopf in die schrecklichste Verzweiflung und dachte nur noch daran, wie ich mich aus der Welt befördern könne; der Teufel, wenn solcherlei Dinge das unmittelbare Werk des Teufels sind, tat seine Arbeit sehr eifrig bei mir, und ich hatte mehrere Tage lang weiter nichts im Sinn als nur, mir mit der Pistole eine Kugel in den Kopf zu schießen.
Ich führte während dieser ganzen Zeit ein unstetes Leben unter Ungläubigen, Türken, Heiden und dergleichen Leuten.
Ich hatte keinen Geistlichen, keinen Christen, mit dem ich sprechen konnte, als nur den bedauernswerten William. Er war mein geistlicher Berater oder Beichtvater und aller Trost, den ich besaß. Was meine Kenntnis der Religion betrifft, so hat der Leser ja meine Geschichte erfahren. Er mag sich vorstellen, daß sie nicht weit reichte, und was Gottes Wort anbelangt, so erinnere ich mich nicht, jemals im Leben ein Kapitel aus der Bibel gelesen zu haben. Ich war wie der kleine Bob in Bussleton und ging zur Schule, um mein Altes und Neues Testament zu lernen.
Es gefiel Gott aber, William, den Quäker, zu allem für mich zu machen. Bei dieser Gelegenheit ging ich wie gewöhnlich eines Abends mit ihm aus und führte ihn in größerer Eile als sonst hinaus in die Felder; dort teilte ich ihm, um es kurz zu sagen, mit, in welcher Gemütsverwirrung ich mich befand und welch furchtbaren Versuchungen des Teufels
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