Kapitän Singleton
damit wir gelegentlich Nachricht von ihm erhielten, und versprachen, ihn wissen zu lassen, wohin er uns schreiben konnte, was wir später auch taten, wie der Leser noch erfahren wird.
Wir blieben dort noch einige Zeit, nachdem sie fort waren, und hatten uns noch nicht entschlossen, wohin wir uns wenden sollten, bis endlich ein venezianisches Schiff Zypern anlief und dann in Iskenderun anlegte, um sich nach Fracht für die Heimfahrt umzusehen. Wir befolgten den Wink, feilschten um den Preis für unsere Überfahrt und den Transport unserer Waren und schifften uns nach Venedig ein, wo wir nach zweiundzwanzig Tagen wohlauf mit unserem gesamten Schatz ankamen – mit einer Ladung, wenn man unsere Waren, unser Geld und unsere Edelsteine zusammenzählte, wie sie zwei einzelne Männer wohl noch nie zuvor in die Stadt gebracht hatten, seit der Staat Venedig bestand.
Wir blieben hier lange inkognito und gaben uns auch weiterhin, wie schon zuvor, für zwei armenische Kaufleute aus; inzwischen hatten wir uns soviel von dem persischen und armenischen Kauderwelsch angeeignet, das die Leute in Basra 346
und Bagdad sowie überall im Lande, wohin wir gekommen waren, sprachen, wie nötig war, um uns in die Lage zu versetzen, miteinander reden zu können, ohne daß uns jemand verstand und freilich zuweilen auch kaum wir selbst.
Hier setzten wir alle unsere Waren in Geld um und richteten unsere Wohnung ein, als wollten wir recht lange Zeit hier bleiben. William und ich, die wir durch unverbrüchliche Freundschaft und Treue miteinander verbunden waren, lebten dort wie zwei Brüder; wir hatten keine gesonderten Interessen und suchten auch keine; wir führten ständig ernsthafte, tiefsinnige Gespräche über das Thema unserer Reue, wir kleideten uns nie auf eine andere Weise, das heißt, wir gaben unsere armenische Tracht nicht auf, und man nannte uns in Venedig die beiden Griechen.
Ich habe schon zwei-, dreimal begonnen, unseren Reichtum in allen Einzelheiten aufzuzählen, aber er wird unglaublich erscheinen, und es bereitete uns die größte Schwierigkeit, ihn zu verbergen, denn wir hatten die berechtigte Furcht, daß man uns in jenem Land unserer Schätze wegen ermorden könnte.
Schließlich erklärte mir William, er beginne jetzt zu glauben, daß er England nie wiedersehen werde und daß er sich darüber nicht allzu große Sorgen mache, aber da wir nun einen so großen Reichtum besaßen und er in England einige arme Verwandte hatte, wolle er, falls ich einwilligte, dorthin schreiben, um sich zu erkundigen, ob sie noch lebten und in welchen Verhältnissen sie sich befanden; sollte er erfahren, daß diejenigen, um die er sich Gedanken machte, noch am Leben waren, wolle er ihnen, mit meinem Einverständnis, etwas schicken, um ihre Lage zu verbessern.
Ich war bereitwillig damit einverstanden, und demgemäß schrieb William an seine Schwester und an einen Onkel. Nach etwa fünf Wochen erhielt er Antwort von beiden, und zwar an die Adresse seines schwierigen armenischen Decknamens, den 347
er sich zugelegt hatte, nämlich Signore Konstantin Alexion aus Isfahan in Venedig.
Er erhielt einen sehr bewegenden Brief von seiner Schwester.
Sie drückte ihre überwältigende Freude darüber aus, daß er am Leben war, wo man ihr doch schon vor langer Zeit berichtet hatte, er sei von Piraten in Westindien ermordet worden, und sie bat ihn, ihr mitzuteilen, in welcher Lage er sich befand; sie könne zwar nicht besonders viel für ihn tun, er sei ihr aber von Herzen willkommen. Sie sei Witwe geworden und habe vier Kinder, unterhalte aber in den Minories einen kleinen Laden, der es ihr ermöglichte, ihre Familie zu ernähren, und sie übersende ihm fünf Pfund für den Fall, daß er in dem fremden Land Geld für die Heimkehr brauche.
Ich sah, daß ihm beim Lesen des Briefs Tränen in die Augen traten, und als er ihn mir samt dem kleinen Wechsel über fünf Pfund auf den Namen eines englischen Kaufmanns in Venedig zeigte, wurden auch meine Augen feucht.
Nachdem uns beide so die Rührung über die Zärtlichkeit und Güte dieses Briefes ergriffen hatte, wandte sich William mir zu und sagte: „Was soll ich für diese arme Frau tun?“ Ich überle g-te eine Weile und antwortete schließlich: „Ich will dir sagen, was du für sie tun sollst. Sie hat dir fünf Pfund gesandt und hat vier Kinder, das sind mit ihr selbst fünf Personen. Eine solche Summe von einer armen Frau in ihrer Lage bedeutet soviel wie fünftausend Pfund für uns. Schicke ihr
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