Kapitän Singleton
schuppt die Ankerkette und setzt die Segel, wenn Euch euer Leben lieb ist.
Adieu
R. S.
Wir standen, wie gesagt, unbemerkt da, denn die Abend-dämmerung war schon hereingebrochen; wir sahen, wie der Türke den Brief abgab, beobachteten dann, wie alle Mann 334
innerhalb von drei Minuten ins Boot eilten und ablegten; und kaum waren sie an Bord des Schiffs, befolgten sie anscheinend unseren Rat, denn am nächsten Morgen waren sie außer Sicht, und wir hörten seitdem niemals wieder etwas von ihnen.
Wir befanden uns jetzt an einem sehr geeigneten Ort und in einer sehr günstigen Lage, denn wir galten als persische Kaufleute.
Es ist unwichtig, hier niederzuschreiben, wieviel erworbene Reichtümer wir zusammengerafft hatten; zweckmäßiger ist, wenn ich dem Leser berichte, daß ich zu empfinden begann, wie verbrecherisch die Art und Weise war, auf die ich sie mir angeeignet hatte, und daß mir ihr Besitz nur wenig Freude bereitete. Wie ich zu William sagte, erwartete ich nicht, daß ich sie behalten würde, und wünschte es auch gar nicht. Ich war im Gegenteil fest davon überzeugt, wie ich mich einmal zu ihm äußerte, als wir in der Nähe der Stadt Basra auf den Feldern spazierengingen, daß es nicht sein könne, wie der Leser sogleich erfahren wird.
Wir befanden uns in Basra völlig in Sicherheit, nachdem wir unsere Halunken von Kameraden fortgescheucht hatten, und brauchten weiter nichts zu tun, als nur zu überlegen, wie wir unseren Schatz in Dinge umwandeln konnten, die geeignet waren, uns als Kaufleute erscheinen zu lassen; denn solche wollten wir von nun an sein und keine Freibeuter, die wir in Wirklichkeit gewesen waren.
Wir trafen hier gerade im richtigen Augenblick auf einen Holländer, der von Bengalen nach Agra, der Hauptstadt des Großmoguls, gereist war, sich von dort über Land an die Malabarküste begeben und da auf irgendeine Weise ein Schiff aufgetrieben hatte, das den Golf hinaufsegelte. Wir erfuhren, daß er die Absicht hatte, den großen Fluß stromaufwärts nach Bagdad oder Babylon und danach mit einer Karawane nach Aleppo und Iskenderun zu reisen. Da William holländisch sprach und von angenehmem, bestrickendem Wesen war, 335
schloß er bald Bekanntschaft mit diesem Holländer, und als wir uns gegenseitig in unsere näheren Umstände einweihten, erfuhren wir, daß er eine beträchtliche Menge Waren bei sich führte, längs der Küste Handel getrieben hatte und jetzt auf dem Rückweg in seine Heimat war. Er hatte Diener bei sich, von denen der eine ein Armenier war, den er Holländisch gelehrt hatte und der selbst einiges besaß, aber gern nach Europa reisen wollte; der andere war ein holländischer Seemann, den er aufgelesen hatte, weil er ihm gefiel, und dem er überaus vertraute, und er war auch tatsächlich ein recht ehrlicher Bursche.
Dieser Holländer freute sich sehr über die Bekanntschaft, denn er stellte bald fest, daß unsere Gedanken sich gleichfalls auf Europa richteten; und da er nun erfuhr, daß wir mit Waren belastet waren (denn von dem Geld ließen wir ihn nichts wissen), bot er uns bereitwillig an, uns beim Verkauf so vieler Waren, wie sich an dem Ort, wo wir uns befanden, umsetzen ließen, zu helfen und uns zu raten, was mit den übrigen zu tun sei.
Während dieser Zeit überlegten William und ich, was wir mit uns und unserem Besitz anfangen sollten. Als erstes beschlossen wir, niemals ernsthaft über unsere Pläne zu sprechen, wenn wir uns nicht auf offenem Feld befanden, wo wir sicher waren, daß uns kein Mensch hören konnte. So spazierten wir jeden Abend, wenn die Sonne unterzugehen begann und die Luft kühler wurde, hinaus – einmal auf diesem, ein andermal auf jenem Weg –, um miteinander über unsere Angelegenheiten zu beraten.
Ich hätte erwähnen sollen, daß wir uns hier neu eingekleidet hatten, und zwar nach persischer Sitte mit langer Seidenweste und einem Oberkleid oder Rock aus karmesinfarbenem, englischem Tuch, das sehr feingewebt und schön war; und wir hatten uns den Bart so nach persischer Manier wachsen lassen, daß man uns für persische Kaufleute hielt, das heißt nur dem 336
Aussehen nach, denn, nebenbei gesagt, wir vermochten nicht ein Wort der persischen Sprache zu verstehen oder zu sprechen, noch irgendeine andere außer der englischen und der holländischen, und von dieser verstand ich selbst auch nur wenig.
Der Holländer vermittelte uns jedoch alles, und da wir uns vorgenommen hatten, so zurückgezogen wie nur möglich zu leben, schlossen
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