Kapitän Singleton
wo wir eine große Geldsumme in Seidenballen umsetzten; wir ließen einen erheblichen Geldbetrag in den Händen eines Kaufmanns in Venedig und einen zweiten, ebenfalls beträchtlichen, in Neapel und nahmen auch Wechsel über eine große Handelstransaktion auf, und doch kamen wir mit einer solchen Warenladung nach London, wie es schon seit Jahren nur einige amerikanische Kaufleute getan hatten, denn wir beluden zwei Schiffe mit dreiundsiebzig Ballen doppeltge-zwirnter Seide und dreizehn Ballen gewirkter Seide aus dem Herzogtum Mailand, die wir in Genua an Bord nahmen. Mit all dem gelangte ich ohne Zwischenfall nach England und heiratete einige Zeit später meine treue Beschützerin, Williams Schwester, mit der ich glücklicher lebe, als ich es verdiene.
Und jetzt, nachdem ich dem Leser so offen mitgeteilt habe, daß ich nach England gekommen bin, und so kühn gestanden habe, welches Leben ich im Ausland geführt habe, ist es Zeit für mich, meinen Bericht abzubrechen und vorläufig nichts mehr zu sagen, damit nicht jemand den Wunsch empfindet, sich allzu genau nach seinem alten Freund, dem Kapitän Bob, zu erkundigen.
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NACHWORT
Räubergeschichten haben die Menschen von alters her gefesselt. Den Griechen galten sogar die Götter als ausgezeic hnete Räuber; ihre Mythen berichten von unglaublichen Diebstählen und Entführungen, und der große blinde Sänger Homer ließ den langjährigen Krieg zwischen Asien und Europa mit dem Raub einer Frau beginnen. Im Zeitalter der Entdek-kungen freilich, als ferne Länder und Schätze zu erobern waren, als Spanier und Portugiesen die Weltmeere beherrschten und bald auch die tüchtigen Holländer in Afrika, Westindien, Asien und Australien Handelsniederlassungen und Stütz-punkte errichteten, da erblühten Raub und Geschäft, und oft war zwischen beiden nicht zu unterscheiden.
Die berühmten Seefahrer Sir John Hawkins und Sir Francis Drake waren Kapitän und Admiral der Königin Elisabeth (sie regierte von 1558 bis zu ihrem Tode 1603), doch ebenso Freibeuter und Sklavenhändler, die – immerhin im Auftrage und unter dem Schutz der Königin – fremde Schiffe aufbrachten, spanische Häfen überfielen, rund um die Welt Beute machten und Handelsvorrechte erwarben.
Schon im 15. Jahrhundert hatten sich englische Tuchexpor-teure zu der Genossenschaft der Merchant Adventurers zusammengeschlossen, was soviel wie „Kaufmann-Abenteurer“ heißt und besagt, daß sie waghalsige Unternehmer waren, die vom Risiko lebten und ihr Geschäft zu betreiben wußten. Länger als zwei Jahrhunderte verfügten die Merchant Adventurers über das Monopol des Tuchhandels mit Mittele uropa, und es gab sie noch zu Zeiten Daniel Defoes (1660 –
1731).
Unter Königin Elisabeth wurden die Ostländische Kompanie (1579), die Levante-Kompanie (1581) und die Afrikanische Kompanie (1588) gegründet. Das waren Verbände, die sich Monopole ergattern wollten, wobei die einzelnen Mitglieder 354
auf eigene Kappe spekulierten und Schiffe, Ladung und Leben aufs Spiel setzten. Erst die 1600 gebildete Ostindische Kompanie (East India Company) wirtschaftete mit vereintem Kapital und gesicherten Gewinnanteilen. Wer sich nicht in eine Kompanie einkaufen konnte, wurde auf den Weltmeeren von Feinden gejagt und von den Handelsgesellschaften vertrieben –
er hatte kaum eine Chance.
Während der bürgerlichen Revolution und der Cromwell-schen Republik (1642 – 1660) und während der Regierungszeit der zum Katholizismus neigenden Stuartkönige (1603 – 1649
und 1660 – 1688), die mit Spanien einen Ausgleich suchten und es durch Freibeuterzüge nicht weiter brüskieren wollten, wurden die englische Marine und die Kauffahrtsflotte nicht ausgebaut, so daß die spektakulären Erfolge zur See keine Fortsetzung fanden.
Erst als mit Wilhelm von Oranien 1689 die adligen und großbürgerlichen Whigs, die Vertreter und Nutznießer einer raschen kapitalistischen Entwicklung, an die Macht kamen und (mit Ausnahme der Jahre von 1710 – 1714) die Politik der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bestimmten, wurde das einst unter Elisabeth waltende Bündnis zwischen Krone und Bürgertum insofern wiederhergestellt, als nun die konstitutio-nalisierte Monarchie den Whigs mehr oder weniger freie Hand ließ, ihre Absichten durchzusetzen.
Damit nahm die Schiffahrt einen neuen Aufschwung, der Sklavenhandel trug mehr ein als ganze Kriegszüge, „Britannia beherrscht die Wellen“ wurde gesungen, und der Seefahrer war wieder der
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