Kapitalismus Forever
schöpft, über die kein lebendiger Mensch verfügt. Die Antwort ist kurz und einfach: Aus seiner Primitivität. Es kennt nur eine Grundregel: Mach, was Profit abwirft, sonst bist du weg vom Fenster. So ein System ist unschlagbar.
Welches ist das älteste noch lebende Wirbeltier auf dieser Erde? Es ist das Krokodil, seit 450 Millionen Jahren. Das Erfolgsgeheimnis dieses mächtigen, großen Tieres ist sein winziges Hirn. Es besitzt das Volumen eines Hühnereis. Bei so wenig Hirn kann man nichts falsch machen. Das Krokodil macht es immer richtig: Lauern, zuschnappen, und dann nicht mehr loslassen, komme was wolle.
Ich fürchte, das Kapital hat die gleiche Lebenserwartung, wenn nicht von Seiten der Natur was dazwischen kommt. Sein Siegeszug durch die Weltgeschichte erinnert an den Siegeszug der Digitalisierung, die inzwischen alle Sparten durchdrungen hat. Auf unterster Ebene unterscheiden alle digitalen Systeme nur zwei Werte, Null und Eins, Bit gesetzt oder nicht gesetzt.
Und auf der Basis dieses an Primitivität unüberbietbaren Prinzips entstehen Maschinen und Programme, welche auf ihrem Gebiet die Leistungsfähigkeit des menschlichen Hirns bei weitem überflügeln.
Wenn es um die Frage geht, warum das Kapital so erfolgreich ist, nennen viele den menschlichen Egoismus. Gerade hat das der Oberevangele, Schneider heißt er, glaube ich, in seiner Weihnachtspredigt gesagt: Der Egoismus und die Gier! Diese Leute wissen nicht, wovon sie reden, sie plappern nur gängige Klischees nach.
Der perfekte Egoist ist eine Katze, wie sie friedlich an einem warmen, weichen Plätzchen schläft, das rosige Näschen ins eigene Fell gekuschelt, wie sie sich dann ausgiebig räkelt, wie sie ihre Gliedmaßen bis zu den Pfoten und Krallen reckt und streckt, wie sie dann anfängt, sich zu putzen und ihr Fell abzuschlecken und damit unendlich viel Zeit verbringen kann. Da ist also jemand, dem es richtig gut geht, der mit sich selbst allein restlos zufrieden und glücklich ist. Faszinierend. Man muss einfach zuschauen, mit einer Mischung aus Hingerissensein und wehmütigem Neid.
Kapitalisten sind das genaue Gegenteil. Sie sind keine Egoisten, eher könnte man von hyperaktiven Idealisten sprechen. Sie sind Getriebene. Sie häufen mehr Reichtum an, als sie je werden genießen können, weil die Genussfähigkeit des Menschen durch seine physische Natur sehr beschränkt ist. Die Kapitalisten stellen ihr Leben in den Dienst des Erwerbs von einem Reichtum, mit dem sie als natürliche Personen nichts anfangen können. Desgleichen die Lohnabhängigen, bei denen wiederum der Genuss umgekehrt proportional zum Einkommen ist.
Wenn man in Stuttgart an einem Sommertag bei schönstem Wetter durch die teuren Viertel in Halbhöhelage spaziert – lauter Villen mit viel Grün ringsum –, sind alle Fenster geschlossen, auf den Terrassen und in den Gärten ist niemand. Keiner da, eine »Ruhe wie nach der Pest« (Peter Kurzeck). Kein Wunder, in solchen Hütten kann man nicht wohnen, wenn man sie besitzen will. Dann hat man Pflichten und Termine, um die Kohle ranzuschaffen. Kommt man auf seinem Spaziergang dann wieder runter in die Tallagen, wo die ärmeren Leute wohnen, sind trotz Autoabgasen und Autolärm alle Fenster offen, die Kinder sind unterwegs, etc.
Kein Fortschritt ohne Kapitalismus und Krieg
Weil das heutige Leben nicht als Hölle empfunden wird, sondern man sich wohlig darin eingerichtet hat, versucht man, das Kapital mit falschen und unhaltbaren Anschuldigungen wie »exzessiver Egoismus der Reichen« zu denunzieren.
Eine andere Variante ist der Verweis auf neun Millionen Hungertote jährlich, wobei verschwiegen wird, dass sieben Milliarden Menschen leben und die Erde noch nie so viele Menschen ernähren konnte wie unter der Herrschaft des Kapitals. Sogar für Auschwitz wird das Kapital verantwortlich gemacht, und das kann nur heißen, dass man das Kapital ganz nett finden würde, wenn es nicht für Auschwitz verantwortlich wäre.
Das ist es aber nicht. Auschwitz hat viel mit Deutschland zu tun und wenig mit dem Kapital. Das Kapital ist keine Mordmaschine, eher so was wie eine Universalreligion. Universalreligionen sind zum Beispiel Christentum und Islam. Beide beanspruchen, für alle Menschen zu gelten, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe. Darum missionieren sie. Expansion ist das Ziel. Je größer der Verein, desto besser. Eine Monopolstellung ist erwünscht.
Ganz anders die Indianer im Amazonasgebiet. Jeder Stamm hat seinen
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