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Kapitalismus Forever

Kapitalismus Forever

Titel: Kapitalismus Forever Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Pohrt
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Aberglaube nur im Gewand von Wissenschaftlichkeit eine Chance. Das war schon bei den Nazis so und ist bei Sarrazin nichts anders. Mit der Wissenschaftlichkeit aber haben Marxisten in der Regel ein Problem. Es handelt sich um Vertreter der Geistesbranche, was sich meist schon in der Schule abgezeichnet hat: Deutsch und Geschichte gut, Mathe und Physik mäßig. Das Schicksal der weichen Fächer ist es, am Katzentisch sitzen zu müssen. Man lässt sie gewähren, aber man nimmt sie nicht ernst. Ohne Gleichungen und Powerpoint geht Hard Science einfach nicht.
    Umso dankbarer sind die Marxologen für das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate. Schon allein, dass es ein Gesetz sein soll: Endlich hat man mal etwas Gewissheit in der Hand. Noch besser: Endlich kann man gleichziehen mit den Profis, man kann rechnen und Kurven malen. Am besten: Die Formel ist so trivial wie die Vitaminpillenreklame und so eingängig wie die populäre Erklärung für einen angenommenen Klimawandel.
    Sie gestattet es jedem, der Bruchrechnen kann, sich zum kleinen Kreis der Eingeweihten zu zählen. Deshalb muss die Formel zugleich ein Geheimnis sein. Das wird sie durch die Geschichte ihrer Entdeckung. Die Marxologen haben sie in ihrem Weisheitsbuch ausgegraben, in einer Ecke, wo noch keiner nachgeschaut hat, nämlich im dritten Band vom Kapital.
    Worum handelt es sich? Um eine Wenn-Be­dingung. Wenn die Profitrate der Quotient aus Mehrwert und Kapital ist, dann sinkt sie nach Adam Riese mit der Menge des pro Arbeitsplatz erforderlichen Kapitals. Und wenn die Konkurrenz jeden Kapitalisten dazu zwingt, immer mehr teure Maschinen pro Arbeitsplatz einzusetzen, dann kommen wir nach Adam Riese zum Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate. Ganz arm dran wären demnach die Hersteller von Computerchips, weil die Fab für eine moderne CPU zwischen 3 und 5 Milliarden kostet und nach der Fertigstellung gerade mal ein paar hundert Mann beschäftigt, denen der Kapitalist die Butter vom Brot kratzen kann.
    Viel besser stünde eine Gebäudereinigungsfirma da, die ebenfalls ein paar hundert Mitarbeiter beschäftigt, von denen aber jeder nur einen Plastikeimer und einen Wischer braucht, wenn er sein Werkzeug und Material nicht sogar selbst stellen muss.
    Auf Länder gemünzt: Griechenland mit seiner unterentwickelten Industrie müsste Kapitalisten anziehen wie ein Misthaufen die Fliegen, während sie um China mit seinen hochmodernen Produktionsstätten einen ganz weiten Bogen machen müssten.
    In ähnlichen Fällen hat Marx noch einmal nachgedacht, man kann ja auch von der Grundrente oder vom Monopolprofit ganz anständig leben, die Energieversorger und die Mineralölkonzerne ma­chen es vor.
    Mit solchen Abschweifungen halten die Marxologen sich nicht auf. Sie lesen Marx, als handelte es sich um Nostradamus. Hingeworfene Formulierungen, etwa wenn Marx von einer »Spirale« oder einer »inneren Schranke« spricht, deuten sie als düstere Botschaft. Und ausgestattet mit der unerschütterlichen Gewissheit, dass es zu Ende gehen wird, sehen sie überall die Zeichen an der Wand: Genossen, der Untergang ist nah!

Das Kapital ist so einfach und stabil wie das Krokodil
    Wenn der Kommunismus heute nicht mehr realisierbar ist, wäre er es früher vielleicht gewesen? Hat die Menschheit das Zeitfenster nicht genutzt? Wissen wird man das nie, aber man kann es sich wenigstens vorstellen.
    Die materielle Produktion war um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch auf einem relativ überschaubaren Niveau gewesen, auf einem Niveau, wo Menschen sie kennen, lenken und leiten können. Und wenn damals eine proletarische Weltrevolution stattgefunden hätte, dann wäre die Welt heute eine andere als die, in der wir leben. Es wäre vermutlich eine Welt ohne Privatautos, Handys, Internet und tausend Sorten Waschmittel. Es wäre eine Welt, in der man sehr gut leben kann. Dampfmaschine, Eisenbahn etc. gab es. Ob sie auch Marsexpeditionen und GPS brauchen, und wieviel Arbeit sie in solche Projekte investieren wollen, hätten die Produzenten dann selbst zu entscheiden gehabt.
    Aber die proletarische Weltrevolution hat nicht stattgefunden. Die Folge ist, dass sich die materielle Produktion heute in einer Verfassung befindet, von der ich mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen kann, wer anders sie noch lenken und leiten kann als das Kapital selbst. Ich weiß nicht mal, wer das wollen sollen könnte. Die Werktätigen etwa?
    Das führt zur Frage, woraus das Kapital denn die Zauberkräfte

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