Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
Vom Netzwerk:
wenn selbst ein Profi mir auf den Leim geht.«
    »Das war kein Schauspielern.«
    »Wir schauspielern alle. Vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, meinst du nicht?«
    Sie sah mich lange an, dann wechselte sie das Thema. »Willst du was essen, Killer?«
    »Nicht diesen Junk.« Ich setzte mich zu ihnen.
    Jerry brachte mir ein großes Glas Eistee. »Zucker?«, fragte er.
    »Süßstoff, wenn ihr habt.«
    »Haben wir.«
    Ich konnte nicht anders, ich musste ihn fragen. »Warum trägst du diesen Fummel, Jerry? Gehört das zum Geschäft?«
    »Er wechselt gern mal die Seiten«, sagte Mona. »Das ist sein Hobby. Jeder sollte ein Hobby haben.«
    »Hat nichts mit dem Geschäft zu tun«, erklärte Jerry. »Es ist einfach mein Ding, verstehst du.« Mein Blick blieb kurz an Harry hängen. Jerry bemerkte es. »Die Kinder kommen damit klar, Uri. Hey, du bist doch nicht etwa einer von diesen bescheuerten Moralaposteln?«
    »Kann ich noch einen Hot Dog haben?«, fragte Harry. Er war ganz der Vater, ein pummeliger Optimist ohne jegliches Schuldgefühl. Babs hingegen ähnelte Mona. Sie hatte die Hab-ich-alles-schon-gesehen-Augen ihrer Mutter. War sie erst einmal erwachsen, würde sie begehrenswert und furchteinflößend zugleich sein.
    Jerry versorgte Harry mit einem weiteren in Speck eingewickelten und unter einer Velveeta-Käsetunke begrabenen Hot Dog. Offensichtlich hatten diese Leute noch nie etwas von Nitraten und gesättigten Fettsäuren gehört oder es war ihnen total egal. Hatten sie wirklich keine Ahnung, was sie ihren Kindern antaten, indem sie ihnen so einen Mist vorsetzten? Ich wollte sie gerade daran erinnern, dass Hot Dogs aus Abfällen hergestellt werden, die man in Schlachthäusern vom Boden fegt, und dass Velveeta alles andere ist, nur kein richtiger Käse, doch ich besann mich eines Besseren. Wie miserabel die Ernährung ihrer Kinder auch war, es blieb ihre Sache.
    Mona – noch immer in June-Cleaver-Kostümierung – sah auf ihre Uhr. »Mr. Renseller lässt sich heute aber Zeit«, sagte sie. »Vielleicht sollten wir mal nach ihm sehen.«
    Laut Mona war Clive Renseller ein stadtbekannter Banker. Seinerzeit war er einer ihrer ersten zahlungskräftigen Kunden gewesen und inzwischen Stammkunde. Für die wöchentliche Sitzung berappte er tausend Dollar. Renseller war ein hochangesehener Bürger, ein führendes Mitglied der Gemeinde. Er war mit dem Gouverneur befreundet und hatte mit dem Präsidenten Golf gespielt. In diversen Zeitschriften waren Features über ihn erschienen. »Clive Renseller und die Zukunft im Zeichen des Optimismus« lautete der Titel eines Interviews, das im Money Magazine veröffentlicht worden war.
    Renseller bevorzugte die Sitzungen um sechs Uhr abends, am Ende von Monas Arbeitstag. Sollte er nämlich mal den Wunsch verspüren, eingefahrene Gleise zu verlassen, konnte die Sitzung ruhig eine halbe Stunde länger dauern, ohne dass spätere Termine dadurch verzögert wurden. Mona war es egal, zumal die Überzeit – ob nun zehn Minuten oder eine volle Stunde – weitere tausend Dollar einbrachte. Sie arbeitete grob geschätzt acht Stunden am Tag. Ich überschlug das kurz: Mal angenommen, sie arbeitete fünf Tage die Woche und es handelte sich ausschließlich um 1000-Dollar-Kunden, dann kam sie auf mindestens hundertsechzigtausend im Monat. Selbst wenn ein paar Sitzungen à fünfhundert Dollar darunter waren, würde sich ihr monatliches Einkommen immer noch im sechsstelligen Bereich bewegen. Und die 0190-Nummer und Dienstleistungen, die sie über ihre Website anbot, waren in dieser Rechnung nicht mal enthalten.
    Mona ging hinunter in den Keller. Kurz darauf kam sie zurück und sagte: »Wir haben ein Problem.«

Fünf
    Clive Renseller saß auf dem Boden der Duschkabine und starrte ins Leere. Das mittlerweile kalte Wasser der Brause prasselte auf ihn herab und seine Haut – nicht mehr ganz so rosig – schien bereits leicht schrumpelig. Von der Mitte seines Kopfes zeigten die klatschnassen Haarsträhnen in alle Richtungen, wie Vektoren. Es sah aus, als meditiere er – ein Mönch aus dem 12. Jahrhundert, der gerade ein metaphysisches Rätsel zu entschlüsseln versuchte.
    »Kannst du erste Hilfe?«, fragte Mona mit bangem Unterton.
    Ich stellte das Wasser ab und fühlte an seinem Hals nach dem Puls, wohl wissend, dass da nichts war. Ebenso gut hätte es sich auch um ein neues Spiel handeln können, das er sich ausgedacht hatte: Sklave täuscht Ohnmachtsanfall in Dusche vor, Herrin peitscht

Weitere Kostenlose Bücher