Kaputt in El Paso
am nächsten Morgen ihren Hausarzt anzurufen und ihm aufzutischen, sie habe Clive in seinem Schlafzimmer tot aufgefunden. Clive nahm drei verschiedene Medikamente – einen Betablocker gegen hohen Blutdruck, Digoxin gegen Herzrhythmusstörungen, Nitroglycerin für die Herzkranzgefäße. Der plötzliche Tod eines Mannes in seinem Alter und mit seiner körperlichen Verfassung dürfte eigentlich niemanden überraschen, meinte sie.
Für die Prellungen, für die Beulen und aufgeschlagenen Lippen allerdings müsse sie, Jillian, die Verantwortung übernehmen. Unter Tränen wolle sie dem Arzt beichten, dass Clive nur im Zusammenhang mit abartigen Sexpraktiken zu einer Erektion und zum Erguss habe kommen können und dass sie ihm dementsprechend nachgegeben habe. Dann und wann, so wollte Jillian erklären, habe sie ihn hart rannehmen müssen, um ihn in Fahrt zu bringen, und letzte Nacht sei es ein wenig wilder als gewöhnlich zugegangen. Brutalen Sex habe sein angeschlagenes Herz jedoch nicht verkraften können. Für den Arzt, einen alten Freund der Familie und Weggefährten, sei ihr Wunsch nach Diskretion nachvollziehbar. Er werde mehr als einverstanden sein, den Totenschein auszustellen, ohne Clives Liebeslaster zu erwähnen. Dessen war sich Jillian sicher.
Der Plan klang durchaus vernünftig. Er klang noch vernünftiger, als Jillian fünfhundert Dollar in Aussicht stellte, wenn ich bei der Sache mitmachte. Schwierig war nur, Clive aus der Duschkabine herauszubekommen. Die Leichenstarre hatte noch nicht eingesetzt. Ihn jetzt hochzuheben war, als hebe man einen Sack aus Gummi hoch, der mit hundert Liter Wasser gefüllt war. Ich kann ordentlich viel Gewicht stemmen – Eisenscheiben, die am Ende einer Stange fixiert sind –, doch Clive bedeutete Gewicht ohne festen Schwerpunkt. Ich zog ihn an den Armen aus der Kabine und brachte ihn in eine sitzende Position. Jerry half mir, ihn aufrecht zu stellen. Als wir ihn halbwegs in der Vertikalen hatten, drückte ich meine Schulter in seinen Bauch und hob ihn hoch. Clive wog mehr als hundert Kilo, vielleicht um die hundertzehn.
Ich spürte einen stechenden Schmerz im unteren Rücken, eine Art Ermahnung: Vor einigen Jahren hatte ich mir einen Bandscheibenvorfall zugezogen, und zwar bei dem Versuch, im Rahmen einer Kraftprobe mit meinem Trainingspartner Ray Fuentes im Y gute 200 Kilo stoßen zu wollen. Die Stange hatte sich ungefähr auf Höhe meiner Brust befunden, als ich die Bandscheibe hatte knacken hören. Ein Knacken wie bei brennendem Holz. Mein unterer Rücken hatte sich sofort verkrampft, als ein glühend heißer Schmerz, einem Schraubstock gleich, ihn in die Zange genommen hatte. Die Hantel war meinen Händen entglitten und ich brüllend zu Boden gefallen, Fuentes’ grinsendes Gesicht über mir. »Du schuldest mir zehn Dollar, Kumpel!« Soweit sein Kommentar. Wir sind sehr gute Freunde.
Nachdem ich Clive endlich auf dem Rücksitz des Mercedes untergebracht hatte, war mein Rücken im Arsch. Mit äußerster Vorsicht setzte ich mich auf den Beifahrersitz. Ich atmete tief durch, hielt die Luft an und biss dabei die Zähne zusammen. Gut möglich, dass ich sogar leicht aufstöhnte. Clive vom Auto in sein Haus zu schaffen würde kein Vergnügen werden. Fünfhundert waren dafür nicht annähernd genug.
»Was haben Sie?«, fragte Jillian, während sie rückwärts die Auffahrt hinunterfuhr.
»Rückenprobleme«, sagte ich.
»Sie? Ein Muskelmann wie Sie hat Probleme mit dem Rücken?«
»Als wir von den Bäumen gehüpft sind, waren unsere Körper dafür noch gar nicht ausgelegt. Der Rücken hatte nicht genug Zeit, um sich anzupassen. Das Gleiche gilt für die Knie. Ohne eine Phase dazwischen wurde aus uns der Homo erectus. Eigentlich sollten wir immer noch Bananen essen, uns gegenseitig Nissen aus dem Fell holen und eine aufrechte Haltung nur dann annehmen, wenn es um ein Wettpissen geht.«
»Sie sind ein witziger Kerl«, bemerkte sie mit verkrampftem Lächeln. Verkrampft oder nicht, es wirkte sympathisch, hellte ihre Miene auf.
Die Rensellers wohnten in einer Gegend, die auch Motiv für die Umschlaggestaltung eines Märchenbuches hätte sein können. Dieses Gelände gehörte nicht in die Wüste. Eine Felsbank von zwanzig Morgen, herausgehauen aus einem öden Sandsteinhügel, der sich mitten in der Wüste erhob. Man hatte die Felsbank mit Mutterboden aufgefüllt, um einen kleinen Wald anzulegen, Nadelhölzer aus dem Nordwesten und Laubbäume. Durch großzügige Rasenflächen und
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