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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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eine in Vera Cruz und eine in der Schlacht von Reseca de la Palma. Nach dem Krieg hatte er sich in Monterrey niedergelassen, die Schreibweise seines Namens ›O’Donahue‹ dem Spanischen angepasst und sich sich fortan ›Odonaju‹ genannt. Über mehrere Generationen hatte Güeros Familie in Monterrey gelebt, bis Güeros Eltern nach seiner Geburt nach Texas auswanderten. Er wuchs in San Antonio auf und ging in Austin aufs College, wo er schließlich an der University of Texas in englischer Literatur promovierte. Fünf Jahre unterrichtete er an unserer Uni, bis man ihn feuerte, weil er einen Kollegen während einer Ausschuss-Sitzung außer Gefecht gesetzt hatte. Dieser Kollege hatte Dinge gesagt, die für jemanden mit mexikanisch geprägtem Ehrgefühl unerträglich waren. Der Mann hatte geglaubt, seine Kollegen so ohne weiteres beleidigen zu können, weil in dieser Atmosphäre der Bildung die Wahrscheinlichkeit, körperlich zur Rechenschaft gezogen zu werden, genauso gering war, wie die Wahrscheinlichkeit, in der Hölle eine Limonade serviert zu bekommen. Diesen Mann nun hatte Güero mit einem Schlag niedergestreckt. Güero selbst hatte nur eine Assistenzprofessur innegehabt, keine Anstellung auf Lebenszeit. Der andere hingegen war ordentlicher Professor und aussichtsreicher Kandidat für das Dekanat. Ungleiche Wettbewerbsbedingungen also. Niemand hatte Güero unterstützt, obwohl die Professoren, die an der Sitzung teilgenommen hatten, sich hinter vorgehaltener Hand beifällig geäußert hatten. Der Mistkerl habe es verdient, hatten sie gemeint. Doch als die Universität eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet hatte, waren Güeros Unterstützer bereits verstummt. Ein Gerichtsverfahren stand ihm noch ins Haus.
    »Qué tal, viejo«, sagte er. Spanisch war Güeros Muttersprache, seine Liebe gehörte jedoch dem Englischen. Er konnte alle Monologe aus den Dramen Shakespeares auswendig.
    »Viejo dich selbst«, antwortete ich. Er war jünger als ich, aber nicht wesentlich.
    Ich setzte mich zu ihm an den Tisch. Güero prüfte gerade die Kassenbücher, um sich davon zu überzeugen, dass seine Angestellten ihn nicht allzu sehr übers Ohr hauten. Er gab dem Barkeeper ein Zeichen und kurz darauf stand meine salzfreie Margarita vor mir. Güero trank Pellegrino mit einem Spritzer Limone.
    »Salud«, sagte er.
    Ich hob mein Glas. »Salud.«
    »Du siehst aus wie ein aufgewärmter Haufen Scheiße«, sagte er. »Was hast du getrieben? Bis spät in die Nacht Bücher gelesen? Ist Reality-TV inzwischen zu anspruchsvoll für dich?«
    »Ich bin lange auf gewesen und musste mich um einen unerwarteten Gast kümmern.«
    »Eine Frau? Mein Gott, Uri, hat dich endlich mal eine rumgekriegt? Und ich habe gedacht, du hängst immer noch an der … wie hieß sie noch mal? Diese Nazibraut.«
    »Gert. Nein, keine Frau.«
    »Gertrude mit den Wanderschuhen, ich erinnere mich. Gertrude mit dem blonden Pferdeschwanz und Beinen bis hierher.« Er fuhr sich über die Kehle. »Ein Paradebeispiel für Hitlers arische Zuchtstätte. Wohnt sie noch hier in der Gegend? Ich würde sie gern mal besuchen.« Er zwinkerte mir zu.
    Güero hat den Körper eines Mittelgewichtsboxers, der mit den Jahren ins Schwergewicht aufgestiegen ist. Sein welliges Haar ist rostrot wie Jod und seine leuchtend blauen Augen sehen einen nicht nur an, sie durchbohren ihr Gegenüber förmlich. Während der spanischen Inquisition hätte er zur ersten Garnitur der Inquisitoren gehört.
    »Sie ist schon lange weg«, sagte ich und hob mein Glas.
    »Du hörst dich an wie ein todunglücklicher Mensch. Wenn sie dir so fehlt, dann hol sie zurück.«
    »Sie fehlt mir nicht. Wir sind nicht miteinander klargekommen.«
    Er starrte mich an und zuckte dann mit den Achseln. »Hör mal, hier kommt der Neueste«, sagte er. »Diesmal von PBS, über den Typen, der auf dem Mount Everest gestorben ist: ›An Unterkühlung leidend, überwand ihn der Berg.‹ Que la chingada, niemand beherrscht mehr diese verdammte englische Sprache.« Er bedachte mich mit seinem wohl bekannten Grinsen.
    Ich zuckte nur mit den Schultern. Grammatikfehler ließen mich kalt, erst recht, wenn ich nicht wusste, wo der Fehler überhaupt lag.
    Güeros forschender Blick ruhte auf mir. »Du bist ein trauriger Kerl, Uri«, sagte er. »Das liegt an deinem Namen. Hinter jedem Namen steckt eine Geschichte. Und diese Geschichte beeinflusst uns. Weißt du, welche Geschichte dein Name im Gepäck hat?«
    Ich schüttelte den Kopf. Doch ich

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