Kaputt in El Paso
im Waschraum betrieb, und teilte ihm die schlechte Nachricht mit, dann ging ich zurück in mein Apartment. Der Himmel hatte sich verändert. Die Sonne, diese Linse der Atmosphäre, stand inzwischen so hoch, dass sie ihr Kupferrot nicht mehr streuen musste. Die zarten Wolken waren weitergezogen und der Westwind hatte Sand in den Himmel geblasen. Der Verkehr auf der Mesa hatte zu seiner adrenalingesteuerten, von Hupkonzerten untermalten Hysterie zurückgefunden.
Auf meinem Küchentisch saß ein Skorpion von der Größe einer Maus. Als er mich bemerkte, brachte er seinen Schwanz in Angriffsposition. Ich verpasste ihm eins mit der neusten Ausgabe von Men’s Health. Der braune Saft klebte dick wie Sirup an der Resopal-Oberfläche. Ich beseitigte den Dreck und verbrachte den Rest des Vormittags mit der Suche nach dem zweiten Skorpion. Wo einer ist, ist immer auch ein zweiter.
Acht
Drei Tage später, am Freitag, traf Jillians Scheck ein. In der nächsten Woche kam ein zweiter Scheck über die gleiche Summe. Ein dritter Scheck folgte die Woche darauf. Als der vierte Scheck eintraf, hatte ich ihn bereits erwartet. Alle diese Schecks waren auf fünfhundert Dollar ausgestellt und alle kamen freitags, man konnte die Uhr danach stellen.
Zuerst glaubte ich an eine Panne, maschinell ausgestellte Schecks, die eine hirnlose, unbemerkt gebliebene Computerschleife ausspuckte, als handelte es sich um Münzen eines selbstmörderischen Spielautomaten. Aber nein, alle Schecks trugen Jillian Rensellers Unterschrift und sollten ihr Privatkonto belasten. Auf den Schecks war keine Telefonnummer angegeben und die Rensellers standen nicht im Telefonbuch. Ich hätte die Farnsworths anrufen und um Jillians Nummer bitten können, aber mir stand nicht der Sinn nach engerem Umgang mit ihnen. Zudem hatten sie mir keinen weiteren KerkerAuftritt angeboten, also durfte ich davon ausgehen, dass meine Vorstellung ziemlich dilettantisch gewesen sein musste. Nun, jeder hat seinen Stolz, auch maskierte Henkersknechte.
Als der zweite Scheck eintraf, hatte ich nicht einmal den ersten eingelöst. Der zweite Scheck machte mich zögern. Beim vierten dann hielt ich es für ratsam, mit Jillian zu sprechen, bevor ich überhaupt einen einlöste. Geld ist zwar ganz nett, aber so bitter nötig hatte ich es nun auch wieder nicht. Meine Situation im Baron Arms war durchaus vorteilhaft und meine Ansprüche sind gering. Das alte Motel war mein Bollwerk gegen eine Welt, die jedes Jahr verrückter und störanfälliger wurde. Der Wahnsinn im kleinen Stil, der etliche meiner Bewohner im Griff hatte, war nichts, verglichen mit dem alltäglichen Irrsinn, den die Welt als normal zu akzeptieren begonnen hatte.
Es war ein schöner Freitag im Südwesten Anfang Mai, so wunderschön, dass es fast schmerzte. Böiger Westwind brachte Kühle, aber bislang noch keinen Wüstensand. Im Wetterkanal wurde berichtet, dass es überall stürmisch und für die Jahreszeit zu kühl sei, und zwar nördlich von Albuquerque und östlich von Reno. Das gab mir ein Gefühl von Selbstgefälligkeit.
Dieser wunderschöne Nachmittag voller Selbstgefälligkeit entschädigte für die vergangene Nacht, in der dieses Gefühl so gar nicht hatte aufkommen wollen. Gegen zwei Uhr morgens hatte ich einen Anruf von einem wütenden Mieter aus dem zweiten Stock erhalten. Irgendjemand klopfe seit Mitternacht an die Tür seines Nachbarn. Er brauche seinen Schlaf. Er wolle, dass etwas dagegen unternommen werde. Ich hatte mich angezogen, das Mobiltelefon an den Gürtel gehängt, mich mit meiner neuen Stabtaschenlampe bewaffnet und war zum Balkon im zweiten Stock marschiert. Unsere Balkone sind allen zugänglich, alle Türen einer Etage gehen auf denselben langen Betongang hinaus. Ein Eisengeländer verhindert, dass man – je nach Stockwerk – drei bis dreißig Meter hinunter auf den Parkplatz stürzt. Der Prospekt des Baron Arms bezeichnet diese Betongänge als Balkone. Aber ›Balkon‹ suggeriert eine architektonische Raffinesse, eine Besonderheit, über die ein Apartmenthaus des gehobenen Standards verfügt. Hier ist es lediglich ein Flur im Freien. Wir haben Innenflure und wir haben Außenflure.
Ein Mann im Mantel und mit einer Astros-Baseballkappe lehnte sich gegen die Tür von 36-C. Die Stirn gegen den linken Arm gestützt, schlug er mit dem Handballen der rechten Faust gegen die Tür. Er wirkte ziemlich abgekämpft.
»Hören Sie auf damit«, sagte ich. »Die Leute wollen schlafen.«
»Sie ist da drin«,
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