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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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sagte er. »Erzählen Sie mir nicht, dass sie nicht da drin ist.«
    »Mir ist egal, wer da drin ist. Wenn die ihre Tür nicht aufmachen wollen, ist das deren Sache. Also hauen Sie ab.«
    »Sie ist bei Caldwell, diesem Hurensohn. Ich weiß genau, dass er hier wohnt. Sie erwarten von mir, dass ich einfach zusehe, wie dieser Hurensohn sich mit meiner Frau vergnügt?«
    »Ich erwarte von Ihnen, dass Sie meine Mieter nicht länger stören.«
    »Ihre Mieter sind mir egal. Hier geht’s um was Persönliches.«
    »Genau wie bei meinen Mietern. Die brauchen nämlich ihren Schlaf. Wahrscheinlich muss Caldwell früh aufstehen, um zur Arbeit zu gehen.« Ich nahm mein Mobiltelefon vom Gürtel. »Ich ruf jetzt die Cops, Kumpel. Du hast fünf Sekunden, um zu verschwinden. Andernfalls verbringst du die Nacht in der Ausnüchterungszelle.«
    »Was würden Sie machen, wenn Caldwell mit Ihrer Frau da drinnen wär? Würden Sie dann nicht an die Tür klopfen?«
    »Ich bin nicht seine gottverdammte Frau«, schrie eine Frau hinter der Tür. »Ich hab mich vor einem Jahr von diesem Mistkerl scheiden lassen! Holen Sie die Bullen! Er verstößt gerade gegen die einstweilige Verfügung, sich von mir fern zu halten!«
    »Fick dich, Verna!«, schrie der Mann zurück. »Fick dich tot! Das meine ich wörtlich, Verna! Fick dich und diesen Schweinehund Caldwell tot!«
    »Wir arbeiten dran!«, gab Caldwell vergnügt zurück.
    Der Mann riss sich die Baseballkappe vom Kopf und warf sie auf den Boden des Balkons, dann trat er sie durch die Gitterstäbe des Geländers. Langsam trudelte sie hinunter Richtung Parkplatz. Vermutlich stellte der Typ sich vor, sie wäre Verna oder Caldwell. Er war um die vierzig, in seinen Augen standen Verbitterung und Hass. Ich nahm ihn beim Arm und führte ihn zum Treppenabsatz neben dem Fahrstuhl »Geh nach Hause«, sagte ich. »Sie ist Geschichte, Mann. Gewöhn dich dran.«
    Er holte aus. Das Egal-wer-mir-jetzt-über-den-Weg-läuft-Syndrom. Ich fing seine Hand ab und quetschte sie, bis sich seine Handknochen berührten.
    »Was für ein Zuhause?«, stammelte er und heulte vor Schmerzen. »Es gibt nur mich und Vernas Mutter! Das nennen Sie ein Zuhause? Die Alte in ihrem verdammten Rollstuhl! Ich soll ihre Windeln wechseln und sie mit Brei füttern, während Verna da drinnen mit Lonnie Caldwell poppt? Meinen Sie etwa, man kann das einem Mann wie mir zumuten?«
    »Wenn guten Menschen Böses widerfährt«, sagte ich und musste an Jillian Rensellers Gott denken, der dafür sorgte, dass Ungerechtigkeit immer Oberwasser hatte.
    Plötzlich riss sich der Typ los und wollte zurück zu 36-C. Ich packte ihn, nahm ihn in den Schwitzkasten, drückte zu, bis seine Beine nachgaben. Dann zerrte ich ihn zum Fahrstuhl, hielt ihn im Schwitzkasten, bis das alte, knarrende Ding in der zweiten Etage war. Ich ließ den Mann los und schubste ihn in den Lift. »Geh nach Hause«, sagte ich. »Sollte ich dich hier noch einmal sehen, kannst du mit dem Teil Bekanntschaft machen.« Ich vollführte eine Bewegung mit der Taschenlampe, als hätte ich immer noch das Henkersbeil in der Hand und Clive Renseller vor mir. Obwohl der Typ nur halb so groß war wie ich, zeigte er sich keineswegs beeindruckt. Manchmal wirken Drohgebärden. Geht es jedoch um Leben oder Tod, verfehlen sie ihre Wirkung eher. Mit einer Verna, die sich von Lonnie Caldwell knallen ließ, ging es bei diesem Kerl definitiv um Leben oder Tod. Klar, dass ich ihn wiedersähe.
    Ich ging auf die andere Straßenseite – Zeit für Margaritas. Güero Odonaju, der Eigentümer des DMZ, war da. Gelegentlich kam er freitags um sicherzugehen, dass seine erbärmliche Kundschaft die Bar nicht niederbrannte. Güero ist Mexikaner irischer Abstammung. Sein Ururgroßvater, ein irischer Dockarbeiter aus Boston, kämpfte im Mexikanischen Krieg von 1846/48 auf Seiten der Mexikaner. Seine Haltung zu diesem Krieg – Amerikas schäbigem Unternehmen in Sachen Imperialismus – hatte nichts mit der politischen Überzeugung eines Thoreaus gemein. Als Katholik war der Krieg für ihn nur eine Gelegenheit gewesen, brandschatzend, mit Plünderungen und Vergewaltigungen gegen Protestanten vorzugehen. Er hatte Boston verlassen, sich dem Bataillon der los patricios – dem St. Patrick’s Batallion – angeschlossen und für Mexiko gekämpft. Patricio, nach dem irischen Heiligen, war eine Ehrenbezeichnung für irische Soldaten gewesen, die die mexikanische Sache zu ihrer gemacht hatten. Er hatte zwei Verwundungen erlitten,

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