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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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nichts dagegen unternehmen. Ruf mich zurück.«
    Brauchen schien die Losung des Tages zu sein. Ich hoffte, dass Jillians Bedürfnis rein körperlicher Natur war. Doch zuerst rief ich Zipporah an.
    »Wir treffen uns um fünf im Haus, okay?«, sagte sie. »Dad macht Mutter wahnsinnig.«
    Im Haus … damit meinte sie das Haus, in dem wir alle aufgewachsen waren, das Haus von Sam und Maggie Walkinghorse im Osten der Stadt – ein Haus der Anbauten, Verbesserungen und nachträglichen Einfälle, über einen Zeitraum von fünfzig Jahren errichtet von Sam Walkinghorse. Sam war zu einem Achtel Indianer und stolz darauf. Er hasste seinen Vater, einen brutalen Säufer, und hatte den Namen seines Urgroßvaters väterlicherseits angenommen, eines Kriegers und Schamanen vom Stamm der Minneconjou, der als alter Mann am Wounded Knee getötet worden war. Das ursprüngliche Haus mit seinem simplen Grundriss, aus dem nach und nach alle Trakte und Anbauten gesprossen waren, war lang und schmal. Nachdem sie 45 aus dem Krieg im Pazifik heimgekehrt waren, hatten Sam und zwei seiner Freunde es auf einem halben Morgen kargen Wüstenlandes erbaut. Als die Walkinghorses zahlenmäßig zunahmen, zimmerte Sam die Anbauten, wobei sein Augenmerk der Zweckmäßigkeit galt und weniger den Stilfragen. Aus der Luft betrachtet, muss das Haus wie ein entgleister Zug wirken – längliche Kisten, die in rechten und weniger rechten Winkeln gegeneinander stießen. Sam hatte dabei immer nur eines im Sinn gehabt: seiner wachsenden Familie ein Dach über dem Kopf zu verschaffen und nicht etwa dem Landkreis zu einer Sehenswürdigkeit zu verhelfen. In ihrem Bestreben, das Ganze zu verschönern, hatte Maggie jeden Anbau in einer anderen Farbe gestrichen, je leuchtender, desto besser, bis alle Kästen orange, grün, lila und gelb strahlten wie ein Regenbogen aus Holz und Putz, der eine Bruchlandung hingelegt hatte. Inmitten der alltäglichen, vernünftigen Häuser, die über die Jahrzehnte hinweg nach und nach die Wüste gefüllt hatten, wirkt dieses Haus wie ein gestalteter Nervenzusammenbruch. Die Nachbarn bezeichnen das Walkinghorse-Haus als ›Nigtmare on East San Pablo Street‹.
    »Ich komme hin, Zip«, sagte ich.
    »Nur wir beide werden da sein, Uri. Jesaja wird seinen UPS-Wagen nicht vor sechs los. Vielleicht kommt er danach vorbei. Und Zack ist geschäftlich in Brüssel.« Moses, der downtown in einer Junkie-Bude haust, wurde von ihr nicht erwähnt. Moses würde sowieso nicht auftauchen, und wenn er es täte, würde Sam ihn gar nicht sehen wollen.
    Zipporah ist schwarz, genau wie Jesaja. Zacharias ist Koreaner. Bei Moses und mir ist das weniger eindeutig. Wenn ich in den Spiegel schaue, denke ich: Italiener? Sephardim? ein dunkler Ire? Slawe? Ich kann mich da nie festlegen. Moses denkt, er sei Ire, meiner Meinung nach sieht er aus wie eine Mischung aus einem französischen Trapper und einem Indianer, wären da nicht seine hellen Augen, die auf deutschen Einfluss hindeuten. Natürlich spielt das alles keine Rolle. Wir sind samt und sonders Walkinghorses, Sams und Maggies Kinder, und diese unauslöschliche Tatsache macht die Fragen nach Ethnien irrelevant.
    Als Nächstes rief ich Jillian an. Ein Mann war am Telefon. Ich sah noch mal auf die Nummer, die ich mir aufgeschrieben hatte. »Ist Jillian Renseller da?«, fragte ich.
    »Warum wollen Sie das wissen?«, lautete die Gegenfrage.
    »Ich soll sie zurückrufen«, erwiderte ich.
    »Verstehe. Und mit wem spreche ich?«
    Er war einer dieser Und-mit-wem-spreche-ich-Typen.
    Ein Kopfgesteuerter oder ein Butler oder einfach nur ein Arschloch.
    »Walkinghorse«, sagte ich und wollte eigentlich keinen Atem mehr an diesen Kerl verschwenden.
    Er sagte etwas, es war kaum zu verstehen, vermutlich hielt er den Hörer zu. Als er ihn an Jillian weiterreichte, hörte ich auch wieder die Hintergrundgeräusche – leise Musik, Geigen und Flöten. »Uri?«, fragte Jillian.
    »Ich habe zweitausend Dollar von Ihnen«, sagte ich.
    »Lösen Sie die Schecks ein, Süßer«, sagte sie. »Das Geld gehört Ihnen.«
    »Wir hatten nur fünfhundert vereinbart.«
    »Nein, wir haben fünfhundert die Woche vereinbart.«
    »Für immer? Ich denke nicht.«
    Sie hielt den Hörer zu und sagte etwas zu dem Und-mit-wem-spreche-ich-Kerl, dann: »Warum kommen Sie nicht vorbei? Dann klären wir das Arrangement im Detail. Ich glaube, Sie haben mich missverstanden.«
    »Was meinen Sie mit: Sie brauchen mich eventuell noch mal?«, fragte ich. »Gibt es

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