Karas Reich
erwischt zu werden.
Einer weniger.
Der zweite kam von vorn.
Er hockte auf seinem Tier mit der langen, spitzen Schnauze, hatte einen Knochenarm zurückgedrückt und schleuderte die Lanze.
Kara konnte nicht mehr ausweichen.
Sie wehrte die Waffe trotzdem ab, bewegte blitzartig ihr Schwert. Beide klirrten zusammen. Die Lanze fiel irgendwo zu Boden, als sie gestoppt worden war, dann hatte Kara das Skelett erreicht und hämmerte blitzartig zu.
Wieder umwirbelten sie schwarze Knochen, sie wurde an der Schulter erwischt, was ihr nichts ausmachte, denn längst setzte sie den Weg im Zickzack fort.
Die dritte Lanze prallte hinter ihren Hacken auf.
Dann sah sie wieder klarer.
Vor ihr erschien die Einmündung der Gasse. Hinter sich hörte sie ein Rauschen.
Einmal nur drehte sie den Kopf.
Auf dem kleinen Flugdrachen hockte die schwarze Gestalt, den rechten Arm bereits zum Wurf erhoben. Die Lanze sollte Karas Rücken durchbohren.
Kara warf sich genau im richtigen Augenblick zu Boden, überrollte sich dabei und sah, wie die Lanze stur geradeaus durch die Luft zischte und haargenau in die Gasse hineinjagte.
Dort hatte ebenfalls ein mit Pfeil und Bogen bewaffnetes schwarzes Skelett gelauert.
Es bekam die Lanze mitten in die Knochenbrust. Die Wucht zersplitterte die unheilige Gestalt, und für Kara, die längst wieder auf den Beinen stand, war der Weg frei.
Sekunden später tauchte sie in die Gasse ein und stellte fest, daß sie nicht so düster war, wie sie ausgesehen hatte.
Sie preßte sich an die Wand, hörte ihr wildes Keuchen, verschluckte sich, stöhnte auf, drehte sich wieder herum und schaute auf den Platz, wo ein sterbender Riesenvogel lag, mit den Schwingen um sich schlug und sein Ende nicht vermeiden konnte.
Flammen und Rauch hüllten ihn ein, und Kara spürte den Triumph darüber, daß sie dem Schwarzen Tod eines seiner Reittiere genommen hatte.
Das war kein Sieg.
Nach wie vor kreisten die schwarzen Skelette über dem Platz, und sie überlegte, wie sie sich verhalten sollte. Zunächst einmal zog sie sich tiefer in die Gasse zurück.
Sie schabte dabei an der Hauswand entlang, entdeckte eine Türnische, kroch hinein, drückte sich gegen die hölzerne Tür – und schrie leise auf, als die nachgab und sie in eine Raum hineinstolperte…
***
Zwei Frauen starrten sie ängstlich an. Sie waren beide schon älter und sahen aus wie Geschwister. Ihre Kleidung bestand aus langen, hellen Gewändern, die sie um ihre Körper gedreht hatten. Kara hob eine Hand zum Zeichen, daß sie ihnen nichts tun wollte, dann schloß sie die Tür hinter sich zu und richtete die Blicke auf die Frauen.
Im Raum brannte nur ein Öllicht. Es stand in einer Ecke auf einem Schemel. Dennoch erkannten die beiden Kara. Plötzlich verneigten sie sich und sprachen von ihrer Königin, was Kara überhaupt nicht recht war. Beinahe wütend schüttelte sie den Kopf.
»Wie komme ich hier raus?«
Zu einer Antwort kam es nicht mehr, denn sie hörte die Stimme des Schwarzen Tods, der wie das Grollen eines unheimlichen Donners durch die Wände an ihre Ohren schallte.
»Ich will dich, Tochter des Delios! Ich will dich sofort! Komm aus deinem Versteck. Wenn du nicht hier auf dem Platz erscheinst, werden zahlreiche Menschen sterben. Dann werde ich meine Diener losschicken, die sich der Menschen aus deinem Reich annehmen und sie auf schreckliche Weise töten.«
Kara biß sich auf die Lippen. Etwas Ähnliches hatte sie befürchtet.
Eine der Frauen kam auf sie zu. In ihrem Gesicht stand die Angst wie festgeschrieben. Die Frau faßte nach Karas Hand, drückte sie und flüsterte: »Kannst du uns retten, Königin?«
Wohl nicht, dachte Kara. Sie sagte es nicht. Statt dessen nickte sie: »Ich werde es versuchen.«
»Wirst du dich ihm stellen?«
Über Karas Lippen huschte eine etwas verloren wirkendes Lächeln. »Ja, das werde ich versuchen. Ich werde mich ihm stellen, denn ich muß ja mein Reich verteidigen.«
»Das mußt du!«
Sie nickte und schluckte gleichzeitig. Ihr Schwert hielt sie noch immer fest. Seine Spitze berührte den Boden. Die Klinge selbst sah aus wie ein goldener Streifen, und Kara fuhr mit der Zunge über ihre Lippen. »Was immer ich auch tue«, sagte sie, »ich kann nicht versprechen, ob es genau das Richtige ist. Ich werde alles versuchen und mich von meinen Intuitionen leiten lassen. Ich werde gehen, und ich wünsche euch sowie allen anderen viel Glück.«
»Ja, Hoheit, ja…«
Kara war peinlich berührt von dieser Antwort und
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