Karas Reich
Gegner im Treppenflur gespannt. Es war an vier in den Wänden steckenden Haken befestigt, und ich wußte nicht, wie stark es war und ob es allzu wilde Bewegungen aushielt.
Der Schock über den Anblick der Schlangen hatte ich einigermaßen verdaut. Ich wollte nach einem Ausweg suchen. In der Tiefe fand ich ihn bestimmt nicht.
Dann in der Höhe?
Ich wälzte mich auf den Rücken, und das geschah sehr langsam und vorsichtig. Nur keine zu wilden Bewegungen, die das Netz hätten reißen lassen können. Schon bei den geringsten Bewegungen geriet es in Schwingungen, die mir überhaupt nicht gefielen.
Ich lag auf dem Rücken, wartete, bis sich die Unterlage wieder ruhig eingependelt hatte, und schaute dann in die Höhe.
Leere und Düsternis lagen über mir.
Es war der Flur des Hauses. So hoch, daß ich nicht einmal sein Ende erkennen konnte. Irgendwo mußte eine Decke existieren, aber sie war längst verschwommen oder verschwunden.
Irgendwo mußte sich auch die geländerlose Treppe befinden, selbst die konnte ich nicht sehen.
Es war die perfekte Falle.
Oder nicht?
Ich dachte daran, daß die Jungs vom Bau immer ziemlich früh anfingen, doch eine Befreiung durch sie konnte ich mir abschminken. Wenn Mitternacht vorbei war, dann hatten wir Samstag, Wochenende also, und da wurde bekanntlich nicht gearbeitet.
Perfekt!
Ich hatte Mühe, die Flüche zu unterdrücken, und ich hätte mir, wenn es möglich gewesen wäre, am liebsten selbst irgendwo hingebissen.
Dem war aber nicht so.
Ich mußte warten.
Worauf?
Vielleicht auf den Morgen, auf jemand, der zufällig die Baustelle kontrollierte? Auf irgendwelche Stadtstreicher, die sich hier ein Versteck gesucht hatten?
Das hätte im Sommer geklappt, aber nicht zu dieser kalten Jahreszeit, wo der Wind durch die leeren Fensterhöhlen pfiff und den Hausflur zu einem Kamin machte.
Sie hatten mich erwischt, sie würden mich weiterhin bei sich behalten, aber ich wußte nicht, was sie mit mir vorhatten. Aus welch einem Grunde hatten sie sich mit mir so eine große Mühe gegeben? Was steckte dahinter? Wenn sie nur mein Leben gewollt hätten, dann hätte ich schon längst tot sein können, aber das war es nicht.
Wie also ging es weiter? Was hatte man mit mir vor? Ich vergaß die Schlangen und dachte darüber nach.
Es gab eigentlich nur eine Möglichkeit. Die Fremden hatten mich also als Geisel genommen. Man wollte mich haben, um mich gegen einen anderen auszuspielen.
Welcher Plan steckte dahinter? Und wer waren die beiden außergewöhnlichen Männer?
Mir fiel keine Lösung ein.
Noch auf dem Rücken liegend, spürte ich den Druck meines Körpers auf den hinter meinem Rücken gefesselten Händen. Es paßte mir überhaupt nicht, daß ich mich nicht bewegen konnte. Der Klebestreifen war reißfest, da konnte ich nichts machen.
Also warten…
Wäre es ein normaler Wochentag gewesen, hätte ich mir keine großen Sorgen zu machen brauchen. An einem Samstagmorgen fiel es kaum auf, wenn ich nicht in der Wohnung war. Da brauchte ich nicht zum Yard zu fahren, und Suko würde ebenfalls kaum einen Grund sehen, mir einen Besuch abzustatten. Verabredet waren wir beide nicht.
Ich hing also fest, und unter mir lauerten die Schlangen.
Die freuten sich bestimmt schon auf ihre Beute…
***
Kara betrat den Platz.
An seinem Rand blieb sie stehen, da sie sich erst einen Überblick verschaffen wollte.
Er sah anders aus, es hatte sich einiges verändert. Das Reittier des Schwarzen Tods war nicht mehr als ein dampfender, stinkender, schwarzer Blutfleck auf dem Pflaster. Es hatte sich ausgebreitet wie ein kleiner See, und Kara dachte wieder an ihre Träume, in denen sie eine ähnliche Szene erlebt hatte.
Der Himmel erinnerte mit seinen unterschiedlichen Grautönen noch immer an eine Kulisse, die zu den Wesen paßte, die sich auf dem Platz versammelt hatte.
Als Mittelpunkt fungierte der Schwarze Tod!
Er stand jetzt auf seinen hohen Knochenbeinen, die auf Kara den Eindruck leicht gekrümmter Säulen machten, die trotzdem nicht zusammenbrachen. Die Sense hielt der Dämon mit beiden Händen fest.
Dabei schwebte die Halbmondklinge dicht über dem Boden und sah aus wie ein mörderisches starres Fallbeil.
Um ihn herum hatte er seine Diener versammelt. Die von Kara erledigten waren nur mehr schwarze Knochenstücke, die sich auf dem Pflaster verteilten und darauf warteten, eingesammelt und verbrannt zu werden.
Im Vergleich zum Schwarzen Tod wirkten seine Helfer klein. Sie waren sogar kleiner als
Weitere Kostenlose Bücher