Karas Reich
mehr den Schwarzen Tod vor sich und die düstere Umgebung, das Gesicht ihres Vaters Delios erschien ihr wie eine Vision.
Kara sah ihn lächeln, ihn nicken. Seine Lippen bewegten sich, er wollte ihr etwas mitteilen, und in seinen graublauen Augen erkannte sie die Kraft eines Menschen, der sein Leben über nur gegen die Mächte der Finsternis gekämpft hatte.
In dieser Lage fühlte sich seine Tochter als das Erbe ihres Vaters. Die Vision hatte ihr Mut eingeflößt, den Kampf nicht aufzugeben und es immer wieder zu versuchen.
Das Bild verschwand.
Dafür sah sie wieder hinein in die graue Realität. Über ihr schwebten die gewaltigen Wolkenberge in einer schlimmen Düsternis, und sie sah die Gestalt des Henkers mit der Sense schräg über sich.
Das schwarze Knochengesicht hatte sich verzogen.
Sollte der Dämon Gefühle besitzen, so zeigte er sie jetzt, denn ihr strömte zugleich ein unwahrscheinlicher Haß entgegen, als wollte er sie einfach verschlucken und auffressen. Sie ließ sich durch nichts beirren.
Das Denkmal, ihr Denkmal befand sich noch immer in der Nähe. Der Wind wühlte sich in den Hof hinein und umtoste es. Wieder schleuderte er den Staub in die Höhe, der als tanzende Wirbel, Spiralen und Wolken über den Platz jagte.
Aus diesem Wirrwarr löste sich die Sense.
Mit einem gewaltigen Schlag hieb sie nach unten.
Kara sprang zurück.
Sie hörte das wilde Pfeifen, als das Metall die Luft zerschnitt. Sie wußte, daß sie sich zu sehr hatte ablenken lassen. In der winzigen Zeitspanne, in der die Halbmond-Klinge unterwegs war, sah Kara ihr Schicksal schon beendet.
Die Sense traf.
Nicht die lebende Kara, sondern ihr Denkmal.
Sie hörte, wie das Metall gegen die steinerne Figur hieb. Wieder hörte sie ein Klirren, dann platzende Geräusche, als das Denkmal von der unheimlichen Wucht buchstäblich zerstückelt und zerrissen wurde. Es verlor den Kopf, der Körper bestand nur mehr aus Steinstücken, die zu Boden segelten, dumpf aufprallten und sich auf dem Hof verteilten. Kara sah, daß ihr Steinkopf auf sie zurollte. Um nicht von ihm getroffen zu werden, sprang sie hoch, damit der Steinschädel unter ihren Füßen hinwegrollen konnte.
Der Schwarze Tod war irritiert. Er hatte mit einem vorzeitigen Kampfende gerechnet und mußte nun mit ansehen, wie die Schöne aus dem Totenreich ihn angriff.
Kara huschte an ihrem zerstörten Denkmal vorbei, wo nur mehr der Sockel stand, und schwang ihr Schwert.
Sie hatte sich nicht den Schwarzen Tod selbst ausgesucht, aber einen Flügel seines Drachen, der wie ein langer Lappen nach unten geklappt war. Die Klinge beschrieb einen Bogen und hinterließ beim Schlag noch in der Luft einen goldenen Streifen.
Treffer!
Kara hörte das Klatschen, als die Klinge einen Teil des Flügels abtrennte und auf einer breiten Fläche die sämige, dunkle Flüssigkeit hervorquoll.
Das dämonische Blut eines Urzeittieres bedeckte den Boden, und Kara dachte wieder an ihren Traum, wo sie auch das Blut hatte dampfen sehen.
Nicht von Menschen…
Der Flugdrache schleuderte seinen Kopf zurück. Schmerzen mußten durch seinen Körper zucken. Das Schwert war eine weißmagische Waffe, er gehörte aber zur Gegenseite.
Dämonen konnten mit Weißer Magie bekämpft und vernichtet werden.
Auch der Flugdrache gehörte zu den Dämonen, und plötzlich zischte aus seinem Rachen eine stinkende Wolke, die Kara die Sicht vernebelte. Sie wußte nicht mehr, wo sich der Schwarze Tod genau befand, sie wollte auch nicht in die Dampfwolke hinein, denn aus der Höhe jagten plötzlich vier schwarze Skelette nach unten.
Sie waren mit langen Lanzen bewaffnet, die sie auf Kara zuschleudern wollten.
Da sie von vier verschiedenen Seiten kamen, konnte Kara es sich nicht erlauben, stehenzubleiben. Sie mußte weg und in einer der Gassen Zuflucht suchen, auch wenn dort ein weiteres Monstrum lauerte.
Sie rannte.
Zum Glück deckte sie der Rauch des sterbenden Flugdrachen. Trotzdem lief sie im Zickzack wie ein Hase, der vor einem ihm im Nacken sitzenden Fuchs floh.
Wer um sie herum das Gebrüll ausstieß, wußte sie nicht. Aber die Skelette gaben nicht auf.
Sie warfen ihre Lanzen.
Von der rechten Seite her wischte die erste heran. Sie hätte Kara aufgespießt, wäre es ihr nicht gelungen, einen Haken zu schlagen. Dann sah sie den Werfer.
Im Laufen schlug sie zu.
Die Klinge erwischte die Knochenfigur. Kara hörte ein helles Geräusch, dann mußte sie den Kopf einziehen, um nicht von den umherwirbelnden Gebeinen
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