Kardinal vor La Rochelle
fragte ich ihn erst, als wir wieder in Brézolles waren, nach dem Grund seines Ärgers.
»Monseigneur«, sagte er, »als wir, Hörner und ich, mit den Pferden im Hof von La Sauzaie auf Euch warteten, suchten zwei Königliche
Musketiere mit uns Streit.«
»Wie? Mit dem Bruder eines ihrer Hauptleute?«
»Wahrscheinlich waren es frisch Eingerückte. Sie kannten mich nicht und meinen Bruder auch nicht.«
»Hast du ihnen nicht gesagt, wer du bist?«
»Nein, Monseigneur, ich wollte nicht, daß es aussähe, als versteckte ich mich hinter meinem großen Bruder.«
»Und was sagten die Streithähne?«
»Der erste fragte mich, zu wem ich gehöre.
›Zum Herzog von Orbieu‹, antwortete ich.
›Herzog von Orbieu?‹ sagte er, ›den kenn ich nicht.‹
Und der zweite sagte: ›Das muß ja ein armer Herzog sein, der nur zwei Berittene als Eskorte hat.‹
Worauf der erste ihn übertrumpfte: ›Wenn er nicht arm ist, ist er ein Geizkragen, der die Ausgabe scheut.‹
|343| ›Meine Herren‹, sagte Hörner entrüstet, ›sehr töricht ist, wer über einen hohen Herrn herzieht, den zu kennen er nicht die
Ehre hat.‹ Das sagte er in einem so scharfen Ton, daß die beiden Großmäuler fuchsig wurden.
›Hörner‹, sagte ich, ›redet nicht mit diesen Herren, sie suchen Händel, aber wir haben nichts mit ihnen zu schaffen.‹ Damit
kehrte ich ihnen den Rücken, Hörner auch, aber die beiden hätten wohl kaum aufgehört, uns Frechheiten an den Kopf zu werfen,
wenn nicht ein Musketier, der mich kennt, hinzugetreten wäre, sie beide eingehakt und ihnen geflüstert hätte: ›Mit Verlaub,
meine Herren, gehen wir ein wenig weiter, ich habe Euch zwei Worte zu sagen.‹«
»Wenn ich dich recht verstehe, mein lieber Nicolas, will uns der Vorfall etwas lehren. Gut denn! Bemühen wir uns, morgen dran
zu denken.«
Und bevor ich mich am nächsten Morgen zum Rat begab, ließ ich Hörner durch Nicolas sagen, er solle samt meiner Accla sechs
Pferde satteln. Was für ein Jammer! dachte ich, daß man der Dummheit solcher Laffen Rechnung tragen muß, die über die Bedeutung
eines Edelmannes nach der Größe seiner Eskorte urteilen. Trotzdem tat ich es, denn ich wollte Hörner und Nicolas nicht noch
einmal Beleidigungen dieser Art aussetzen.
Als ich den großen Saal von La Sauzaie betrat, wo der Rat abgehalten wurde, meldete mir Du Hallier, daß der König Hutschwenke
unter den Räten untersagt hatte, damit die Debatte nicht gestört werde, falls es Nachzügler gebe. Ich mußte mich also wie
jeder andere auf Blicke und Kopfnicken beschränken.
Aber es ist schon erstaunlich, Leser, wie verschieden diese doch diskreten Zeichen von den einzelnen erwidert wurden. Um nur
einige Beispiele anzuführen: Soviel Freundschaft mir in den Blicken von Schomberg und Toiras begegnete und soviel Sympathie
in den Augen des Herzogs von Angoulême, sosehr ließen es die beiden Marillacs (der Siegelbewahrer und der Feldmarschall) daran
fehlen, erst recht aber Bassompierre, der sich nun wohl gänzlich, wenn auch stillschweigend, dem Clan der diabolischen Reifröcke
ergeben hatte, für die ich ein Handlanger des Kardinals und eine Kreatur des Königs war, und das heißt, ein Edelmann, der
eingekerkert oder wenigstens auf seine Ländereien verbannt gehörte, sobald man sich Ludwigs und Richelieus entledigt hätte.
|344| Wer was auf dieser höchst entscheidenden Ratssitzung sagte, kann ich dir nicht verraten, Leser, jeder gute Rat fühlt sich
hierüber zur Geheimhaltung verpflichtet. Doch kann ich, ohne die Urheber zu nennen, die unterschiedlichen Meinungen mitteilen,
die zu der Frage geäußert wurden, wie mit den Rochelaisern zu verfahren sei, sowie sie bereit wären, sich zu unterwerfen.
Die einen meinten, den Rebellen müsse eine exemplarische Bestrafung auferlegt werden, damit diese den anderen protestantischen
Städten Frankreichs als abschreckendes Beispiel diene und sie gezwungen würden, ihre Schuldigkeit zu erfüllen.
Die anderen vertraten die Ansicht, die Belagerung, der Hunger, der Ruin, vor allem aber der Verlust von weit über vier Fünfteln
der Einwohner seien an sich bereits eine so furchtbare Strafe für La Rochelle, daß man keine weitere hinzufügen müsse.
Wieder andere, die gleichfalls zur Milde neigten, fanden, es müßten nichtsdestoweniger der Bürgermeister Guiton hart bestraft
werden sowie die Handvoll Pastoren und Schöffen, die ihn in seiner verbrecherischen Halsstarrigkeit bestärkt
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