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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Riesenschritten auf mich zu und schloß mich herzlich
     in die Arme.
    »Mein Freund«, sagte er, ein Wort, das in seinem Mund einen Sinn hatte, »wenn Ihr Ludwig sucht, wie ich glaube, so werdet
     Ihr ihn hier nicht mehr finden. Er geht durch die Truppenreihen und mustert Mann für Mann.«
    »Mann für Mann? Da hat er aber zu tun! Was sind das für Truppen.«
    »Vierzehn Gardekompanien und sechs Kompanien vom Schweizer Regiment. Anders ausgedrückt, die Elite der königlichen Armee.
     Alles Ehrenmänner, gewissenhaft, gute Christen und sehr diszipliniert. Ludwig will sichergehen, daß die unglücklichen Überlebenden
     von La Rochelle von den Unseren nicht drangsaliert werden. Drei Männer hat er schon zurückgeschickt ins Feldlager.«
    »Was hatten sie verbrochen?«
    »Nichts, nur daß sie sich vorwitzig eingeschlichen hatten, um mit den ersten in die Stadt einzuziehen. Den einen erkannte
     er als Soldaten der Kompanie eines Herrn von Sourdis – ein erstaunliches Gedächtnis! – und schickte ihn seinem Hauptmann zum
     Auspeitschen. Die beiden anderen Vorwitzigen waren Kapuziner, aber Ludwig verfuhr mit ihnen darum nicht zarter. ›Was ist das,
     meine Herren!‹ sagte er, ›wollt Ihr vor dem Herrn Kardinal in La Rochelle sein?‹ und schickte sie barsch zu ihrer Bruderschaft.«
    »Womit wieder einmal bewiesen ist«, sagte ich, »daß der |349| Gesalbte des Herrn, so fromm er immer sei, es nicht duldet, daß ihm die Geistlichkeit vorgreift.«
    »Recht hat er«, sagte Schomberg. »Ich bin selbst ein guter Katholik und respektiere Priester und Mönche, solange sie sich
     um ihre Schäflein und ihre Armen kümmern, aber sie sollen ihre Nase nicht in Reichsangelegenheiten stecken. Auch den Orthodoxen
     bin ich nicht grün (damit meinte er unter anderen den Siegelbewahrer Marillac), weil ihre Devotion immer den Beigeschmack
     der Herrschsucht hat. Diese Leute haben zu große Zähne, um nur ihren Käse zu essen. Sie wollen sich alles unterjochen.«
    Solche Reden vor anderer Ohren als meinen zu führen, wäre höchst unvorsichtig gewesen, denn die Orthodoxen waren zwar Christen,
     aber äußerst rachsüchtige. Ich kam jedoch nicht dazu, Schomberg zu warnen, denn in dem Moment sah ich, wie der König sich
     straffen Schrittes zu seinem Generalstab begab, und schon brach ein ohrenbetäubender Trommelwirbel an. Nach der fürchterlichen
     Lautstärke zu urteilen, müssen es mindestens ein Dutzend Trommler gewesen sein. Als die endlich verstummten, trat ein riesengroßer
     Gefreiter aus der Reihe hervor. Die königlichen Soldaten standen stramm.
    »Auf Befehl des Königs und des Herrn Generaloberst der französischen Infanterie«, rief er mit lauter Stimme: »Beim Einmarsch
     der Truppen in La Rochelle ist es den Soldaten strengstens verboten, erstens: ihre Reihen zu verlassen, bei Strafe sofortigen
     Erhängens (Trommelwirbel). Zweitens: in die Häuser einzudringen, bei Strafe sofortigen Erhängens (Trom melwirbel ). Drittens: in besagten Häusern was es auch sei zu rauben, bei Strafe sofortigen Erhängens (Trommelwirbel). Viertens: Frauen
     und Mädchen Gewalt anzutun, bei Strafe sofortigen Erhängens (Trommelwirbel).«
    »Das Dumme dabei ist«, flüsterte mir Schomberg ins Ohr, »daß der arme Teufel dreimal gehängt wird: das erste Mal fürs Verlassen
     der Reihe, das zweite Mal, wenn er ein Haus betritt, das dritte Mal, wenn er sich ein Weib vornimmt.«
    Pflichtschuldig belächelte ich den Militärwitz, dann fragte ich Schomberg, wem denn die Ehre zufiele, an der Spitze dieser
     schmucken Soldaten in die Stadt einzumarschieren.
    »Mir, Eurem Diener«, sagte Schomberg ein wenig verlegen.
    »Verflixt! Freut Euch das nicht?«
    |350| »Es freut mich sehr, aber …«
    »Aber?«
    »Nicht ich bin hier der dienstälteste Marschall, es ist Bassompierre. Ihm hätte diese Ehre gebührt.«
    »Bassompierre stand aber nur halbherzig zu dieser Belagerung. Ihr wißt doch noch, wie er sagte: ›Wir werden so verrückt sein,
     La Rochelle einzunehmen‹. Glaubt Ihr, der König hätte ihm das vergessen? Ludwig vergißt nichts, nicht das Gute, nicht das
     Böse.«
    »Deshalb seid Ihr jetzt Herzog«, sagte Schomberg und lächelte freundschaftlich. »Zieht Ihr mit mir in La Rochelle ein?«
    »Nein. Leider habe ich dazu keinen Befehl Seiner Majestät.«
    In dem Moment kam Monsieur de Clérac gelaufen und sagte, ich solle unverzüglich zu Ludwig kommen, er habe einen Auftrag für
     mich. Obwohl der König wie immer ruhig und gesammelt war, sah

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