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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sich nur nicht unterwerfen,
     bevor ihre Stadt zugrunde ging?«
    Der Leser wird hier bemerken, daß der sehr fromme König »Warum nur« sagte und nicht »Warum, zum Teufel«, wie die Mehrheit
     seiner Untertanen.
    »Herr Kardinal«, fuhr der König fort, »ich erwarte Euer
secundo

    »Gestern, Sire, in aller Frühe, erbaten die Rochelaiser Kapitäne, die ihre Schiffe in den Dienst der englischen Flotte gestellt
     hatten, von uns Passierscheine, damit sie an Land und mit uns ins Gespräch kommen könnten. Ihre Abgeordneten, die Herren Gobert
     und Vincent, erhielten das Gewünschte und begaben sich auf das Admiralsschiff der französischen Flotte. Kommandeur von Valençay
     lud sie freundlich zu Tisch und ließ sie anschließend an Land bringen, wo eine meiner Karossen sie abholte.«
    »Was wollten sie?« fragte Ludwig.
    »Sie wollten, daß La Rochelle seine Begnadigung direkt von seinem König erhalte und nicht durch Vermittlung eines ausländischen
     Fürsten, über den sie sich bitter beklagten.«
    »Eine späte Einsicht!« sagte Ludwig.
    »Und, Sire, sie behaupteten wahrhaftig, die Rochelaiser hätten noch Vorräte für drei Monate. ›Ihr meint wohl, für drei Tage‹,
     sagte ich, womit die Verhandlung ein wenig zu knirschen |341| begann. Um die Differenz auszuräumen, schlug ich vor, La Rochelle solle königliche Kommissare in seine Mauern einlassen, um
     sie von den gegenwärtigen Vorräten der Stadt zu überzeugen.«
    »Aber das wollten sie nicht, wie?« fragte der König.
    »Ganz und gar nicht. Das sei nicht machbar, sagten sie, weil die meisten Rochelaiser erbittert versteckten, was sie noch hätten.«
    »Woher wußten sie dann«, sagte Ludwig, »daß La Rochelle angeblich noch Vorräte für drei Monate hat?«
    »Dasselbe, Sire, hielt ich ihnen auch entgegen. Gleichwohl versprach ich, Eurer Majestät zur Kenntnis zu bringen, was sie
     vorgeschlagen hatten.«
    »Ist das alles?«
    »Nein, Sire. Bevor sie gingen, gaben sie mir zu bemerken, daß die Rochelaiser die Lilien an ihren Türen und Mauern nicht angerührt
     hätten, ein Beweis dafür, daß sie mit dem Herzen nach wie vor an ihrem Königshause hingen, und wahrscheinlich ein Grund dafür,
     daß die Engländer sich so viel Zeit ließen mit ihrer Hilfe.«
    »Und was sagtet Ihr darauf, mein Cousin?« fragte der König.
    »Daß der König, ihr legitimer Gebieter, dies wisse und daß dies die einzige Tür sei, die ihnen für eine Rückkehr in Gnaden
     offenstehe.«
    »Gut. Aber viel ist bei dieser Begegnung nicht herausgekommen.«
    »Sire, weil nichts herauskommen konnte. Die Rochelaiser
extra muros
können uns die Tore der Rochelaiser
intra muros
nicht öffnen. Aber in der wirklich bewundernswerten Verkettung der Dinge ist dies, nachdem Lord Montagu um einen Friedensschluß
     zwischen Frankreich und England ersuchte, nun der zweite Akt der Tragödie. Nach jenem ersten Akt müssen sich die Rochelaiser
     von der englischen Flotte gedacht haben: Wenn die Engländer Frieden machen, warum nicht auch wir?«
    »Dazu hatten sie allen Grund«, sagte Ludwig. »Wenn sie sich nicht unterworfen hätten, wären ihre Schiffe aus meinen Häfen
     verbannt worden, und sie hätten ihr Vaterland verloren.«
    Das Wort »Vaterland«, das im Mund eines Königs von Frankreich ganz ungewöhnlich war, überraschte mich. Ludwig schien |342| einzuräumen, daß es neben ihm noch eine andere Einheit gab, die das Reich darstellte. Ich glaube, Richelieu war nicht minder
     erstaunt, enthielt sich aber in seiner gewohnten Klugheit, den Fuß auf diesen unsicheren Boden zu setzen.
    »Wenn ich recht verstehe«, fuhr der König fort, »was Ihr über die wunderbare Verkettung der Dinge sagtet, müßte das Beispiel
     der Rochelaiser
extra muros
die Rochelaiser
intra muros
dazu bringen, auch um Frieden zu bitten?«
    »Davon bin ich fest überzeugt, Sire, zumal Bürgermeister Guiton, nachdem er im Gottesdienst ohnmächtig wurde, sich nicht mehr
     für unsterblich halten dürfte.«
    »Wenn es so steht, mein Cousin«, sagte der König, »müssen wir morgen, gleich nach der Frühmesse, hier den Rat versammeln,
     um unsere Politik hinsichtlich der Rochelaiser festzulegen, sobald sie sich unterwerfen.«
    Seine Majestät entließ mich, und ich ging zu Nicolas, Hörner und meiner Accla, die zärtlich wieherte, als sie mich gewahrte.
    Mein Nicolas aber war ganz rot und zerfurcht vor Zorn. Doch konnten wir nicht nebeneinander reiten, weil meine Accla, wie
     gesagt, seinen Ungarn nicht ertrug, und so

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