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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Abführmittel, wenn er Durchfall hatte, und ließ ihn bei
     der leichtesten Erkältung zur Ader. Im übrigen fiel Ludwig des öfteren einer tiefen Schwermut anheim, die vermutlich daher
     rührte, daß er mit neun Jahren seinen heißgeliebten Vater verloren hatte und danach einer harten, lieblosen Mutter überlassen
     war, die ihn erniedrigte, verachtete, ihn endlos am Gängelband führen wollte, um die Macht, die sie sosehr liebte und so schlecht
     ausübte, ganz für sich zu behalten.
    Das Thema Deichbau war beendet, und Ludwig wandte sich mit aller Huld mir zu.
    »Alsdann, Orbieu«, sagte er, »erzählt von unserem großartigen Bassompierre. Was sagt er? Was will er? Wie weit treibt er die
     Verwegenheit?«
    Ich legte also dem König und seinem Minister einen vollständigen Bericht meines Gesprächs mit Bassompierre ab, nicht ohne
     von Ludwig ein ums andere Mal unterbrochen zu werden, denn so vorsichtig, argwöhnisch und schweigsam er öffentlich auch war,
     enthielt er sich, allein mit seinen getreuen Dienern, doch nicht der oft lebhaftesten Entäußerungen. Als ich nun Bassompierres
     Wunsch wiedergab, eine unabhängige Armee zu haben samt eigener Versorgung, Artillerie und Finanzverwaltung, brach sich Ludwigs
     Entrüstung Bahn.
    »Gedenkt Monsieur de Bassompierre überhaupt noch, sich den Befehlen seines Königs zu fügen, Orbieu?«
    »Sire, dazu hat er sich verpflichtet.«
    »Welch edle Bereitwilligkeit! Wie sie mich rührt! Wahrhaftig, nie habe ich Ausgefalleneres gehört! Seine eigene Armee! |101| Und was will er noch? Konnetabel werden? Oder Regent von Paris, während ich hier im Schlamassel stecke? Mein Cousin«, wandte
     er sich an Richelieu, »was denkt Ihr von dem Tollhäusler?«
    »Daß er tatsächlich toll geworden ist«, sagte Richelieu, jedoch eher amüsiert als entrüstet, »daß ihm seine Ehe zu Kopf gestiegen
     ist und daß es sein großer Fehler war, die Prinzessin Conti zu heiraten, die sich für das Höchste im Reich hält. Sie hat ihn
     angesteckt: In seinen Träumen ist unser Mann wohl schon Vizekönig.«
    »Mein Cousin«, sagte Ludwig, nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, »was machen wir?«
    »Sire, was Ihr beschließt«, sagte Richelieu, indem er sich verneigte.
    »Herr Kardinal«, sagte Ludwig voll Ungeduld, »bitte, antwortet. Ich habe nach Eurer Meinung verlangt.«
    »Und ich beeile mich, Sire, Euch zufriedenzustellen«, sagte Richelieu. Dabei kreuzte er die Hände über der Brust und verneigte
     sich mit vollendeter Demut.
    Jedoch beeilte sich der Kardinal in keiner Weise, vielmehr verharrte er eine Zeitlang stumm, mit geschlossenen Augen. Und
     ich wußte, wir würden sogleich einen wohlformulierten kleinen Vortrag hören, der das Für und das Wider erwägen, das eine wie
     das andere klug und bis ins einzelne begründen würde, ohne die Umstände noch die Folgen außer acht zu lassen, und der zum
     Schluß dem König die freie Wahl lassen würde, sich für die beste Lösung zu entscheiden – und diese würde auch diejenige sein,
     der sein Minister, ohne es irgend betont zu haben, den Vorzug gab.
    »Sire«, sagte Richelieu, »nehmen wir
primo
an, Ihr akzeptiert Bassompierres ausgefallenen Wunsch, und nehmen wir
secundo
an, daß Ihr ihn abschlagt. Welches wären im jeweiligen Fall die Vorteile und die Unzuträglichkeiten?«
    »Fahrt fort, mein Cousin«, sagte Ludwig und setzte sich mit aufmerksamer Miene im Lehnstuhl zurecht.
    » Primo
, wir genehmigen Bassompierre eine angeblich unabhängige Armee. Welchen Schaden hätte dabei Eure Majestät? Keinen. Denn Bassompierres
     Regimenter sind die Euren, Sire. Die Obersten dieser Regimenter, Sire, habt Ihr ernannt. Bassompierre bekommt die Kanonen,
     gut, aber Ihr, Sire, liefert |102| die Kugeln. Er bekommt die Finanzen, aber woher kommt das Geld? Ebenfalls von Euch. Steht zu vermuten, daß Bassompierre unter
     diesen Bedingungen gegen Eure Majestät rebellieren und Ihr übel mitspielen wird?«
    Hier schwieg Richelieu, die Augen mit einer solchen Ergebenheit auf den König gerichtet, als meinte er, seine vorgebrachten
     Gründe könnten nur dann etwas taugen, wenn sein Gebieter sie für tauglich hielte.
    »Fahrt fort, mein Cousin«, sagte der König.
    »Secundo«
, fuhr Richelieu fort, »wir verweigern Bassompierre eine unabhängige Armee. Dann ersucht er um seinen Abschied, und da wir
     ihm ersteres abgeschlagen haben, können wir das zweite nicht auch ablehnen, also genehmigen wir es. Unser Mann kehrt zurück
     nach Paris, um fern

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