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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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unseren Augen und Ohren angeblich den ›Bürger zu spielen‹, in Wahrheit aber, um sich in den Netzen und
     Hexereien der diabolischen Reifröcke zu sielen. Und während wir uns hier am Ende der Welt mit dieser Belagerung abplagen,
     finden unsere teuren Freunde, der Herzog von Lothringen, der Herzog von Savoyen und der deutsche Kaiser, die sich seit Beginn
     der Belagerung gegen Eure Majestät verschworen haben und Euch in Eurer Abwesenheit zu gerne ein wenig Land rauben würden,
     vielleicht ein Mittel, Bassompierre in ihre Dienste zu nehmen und ihm Soldaten, Waffen und Geld zu geben, damit er an unseren
     Grenzen ein wenig Unheil anrichtet, vielleicht sogar in Paris.«
    »Ich überlege es mir«, sagte Ludwig, der für mein Gefühl seine Wahl bereits getroffen hatte. »Monsieur d’Orbieu, habt Ihr
     Eurem Bericht noch etwas hinzuzufügen?«
    Und nachdem Richelieu zugleich mit dem König auch mich überzeugt hatte, daß es gefährlich wäre, Bassompierre ziehen zu lassen,
     zögerte ich nicht mehr, den letzten Ausspruch Bassompierres wiederzugeben, den ich anfänglich nur dem Kardinal hatte mitteilen
     wollen.
    »Sire«, sagte ich, »als mein Vater den Marschall beim Abschied fragte, wie er über die Belagerung denke, antwortete dieser
     mit einer Witzelei.«
    »Was hat er gesagt?« fragte der König argwöhnisch.
    »Sire, seine Worte lauteten: ›Ihr werdet sehen, wir werden so verrückt sein, La Rochelle einzunehmen.‹«
    Der König wurde bleich.
    |103| »So spricht ein Verräter!« rief er aus.
    »Oder ein Frondeur«, sagte Richelieu lächelnd. »Sire, Ihr kennt die Lust des Marschalls an Bonmots und Paradoxien, und seien
     sie auch zweifelhaften Geschmacks. Wenn Ihr erlaubt, Sire, mich dazu zu äußern: Bewahrt diese kleine Frechheit in Eurem Gedächtnis
     und haltet sie zu passender Gelegenheit parat.«
    »Worauf Ihr Euch verlassen könnt«, sagte Ludwig.
    ***
    Mir blieb also nur noch, Bassompierre zu vermelden, daß er gewonnenes Spiel hatte und daß der König seinen Forderungen zustimmte.
     Ihn schien diese erstaunliche Nachricht weniger zu befriedigen, als man erwarten durfte, und ich fragte mich, ob eine Ablehnung
     ihm nicht sogar lieber gewesen wäre. Wahrscheinlich hatte die Vorstellung nicht viel Verlockendes für ihn, zu einem Sieg beizutragen,
     der dem König und dem Kardinal zum Ruhm gereichen und somit die Partei schwächen würde, der er sich verschrieben hatte.
    Die kühle Distanz, die er mir gegenüber wahrte, entmutigte mich, ihn vor der Gefahr, die er lief, zu warnen. Bassompierre,
     das spürte ich, war hinfort taub für jede Stimme, die nicht wie seine Sirenen sang. Und ich befürchtete, daß die Kabale in
     Zukunft nicht einmal nach der Niederwerfung La Rochelles zum Schweigen kommen würde.
    Nicolas, der in einem windigen Stall gefroren hatte, war froh, mit mir den Rückweg anzutreten. Es fiel der gleiche kalte Regen,
     der uns seit unserer Ankunft hier ein beinahe steter Begleiter war. Der Himmel, wenn man überhaupt von Himmel sprechen konnte,
     war eine einzige finstere, tiefhängende Decke ohne jeglichen lichten Spalt, fast bezweifelte man, daß es noch eine Sonne gab.
     Aber, du sollst wissen, Leser, daß die Landschaft in mir noch viel finsterer aussah. Alles Licht war daraus gewichen, seit
     ich – und auf wie unerwartete Weise! – erfahren hatte, daß Madame de Brézolles am folgenden Tag nach Nantes reisen würde.
     An dem Verdruß und Kummer, den ich empfand, merkte ich erst, wie stark sich mein Gefühl – in einer so kurzen Zeit – an sie
     gebunden hatte, während ich bislang glaubte, es handele sich um eine jener Liebeleien, wie mein Vater |104| deren viele in seinen Memoiren erzählt hat, um ein Reiseabenteuer, das mit dem Aufenthalt endet und nicht mehr hinterläßt
     als eine zärtliche Erinnerung dann und wann, begleitet von einem sehnsüchtigen kleinen Stechen.
    Nicolas trabte an meiner Seite, ohne die Zähne auseinanderzubringen. Sein untrügliches Taktgefühl sagte ihm, daß er mich besser
     nicht in meinen Gedanken störte. Die bevorstehende Abreise von Madame de Brézolles konnte auch ihm nicht entgangen sein, und
     sei es durch die Stallknechte, welche die Kutsche ihrer Herrin reisefertig machten, die Pferde neu beschlugen, abgenutzte
     Achsen und Räder auswechselten, wie es vor einer langen Reise üblich ist.
    Das Abendessen war köstlich, ich konnte es aber nicht recht genießen. Sowenig mir danach zumute war, gab ich mir doch alle
     Mühe, munter zu

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