Kardinalspoker
Probleme
bekommen. Das hatte Kardinal gewusst und das wusste Müller. Es war wohl doch nicht
so gut gewesen, wenige Wochen vor der Wahl mit Kardinal einen Zug durch die Gemeinden
zu machen, der in einem Bordell in Bad Münstereifel endete. Müller hatte die Rechnung
mit seiner privaten Kreditkarte beglichen. Wie Kardinal an eine Kopie der Rechnung
gekommen war, hatte er nicht verraten. Aber er besaß sie und Müller hatte damit
rechnen müssen, dass Kardinal diesen Beleg irgendwann einmal präsentierte.
»Wenn ich wirklich
einmal deine Hilfe brauche, dann werde ich dich an diese Liebesnacht erinnern«,
hatte Kardinal kühl gesagt. »Deine Frau wird nicht begeistert sein.« Bisher hatte
er die Hilfe nicht eingefordert, und er würde es jetzt auch nicht mehr tun können.
Von den anderen Fettnäpfchen einmal ganz zu schweigen. Gott sei Dank war es vorbei.
Garantiert
hatte Kardinal diesen verräterischen Beleg gebunkert oder eingescannt und als Datei
abgespeichert. Wenn nicht auf dem auch für seine Fraktionskollegen zugänglichen
Rechner, dann bestimmt auf einem privaten.
So war Kardinal,
er war nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht, entsann sich Müller. Das politische
Gehabe war Mittel zum Zweck. Es ging dem Kardinal nicht um politische Entscheidungen
zum Wohle der Bürger, es ging ihm darum, seine eigenen finanziellen Vorteile zu
sichern.
Der Oberbürgermeister war sich ziemlich
sicher, nicht als Einziger eine Leiche im Keller liegen zu haben, von der Kardinal
wusste. Es war nur sein Glück, dass die anderen vier an diesem Tisch nichts von
seiner Leiche wussten. Schlimmstenfalls würde bei den Untersuchungen und Aufräumarbeiten
nach Kardinals Tod sein Fehltritt publik werden. Aber er war jetzt in einer besseren
Position. Er könnte behaupten, der Beleg sei gefälscht, und niemand könnte widersprechen.
Insofern hatte der Tod des Kardinals für ihn durchaus Vorteile.
Müller wusste, er war nicht allein. Wenn er in die Runde blickte, fand
er zumindest in Schlingenheim einen Kumpan, der ebenfalls dem Toten keine Träne
nachweinen würde. Der CDU-Chef hatte schon mehrfach mit dem KGB-Politiker im juristischen
Clinch gelegen, aber stets den Kürzeren gezogen. Kardinal war zwar mehrfach wegen
übler Nachrede und Verleumdung vorbestraft, bei seinen beleidigenden Behauptungen
und Unterstellungen im politischen Bereich konnte er sich aber immer wieder auf
die Freiheit der Meinungsäußerung berufen. So sahen es jedenfalls die Richter, die
bei Politikern nicht so strenge Maßstäbe anlegten wie bei Privatpersonen. Als ›abgehalfterten
Politdino‹ durfte Kardinal mit richterlichem Segen den CDU-Sprecher bezeichnen,
als ›Mann, dessen Reden nicht immer der Wahrheit entsprechen‹ oder als ›politischer
Wichtigtuer, der sich mehr und mehr dem Zustand der Vergreisung‹ nähere. Es verging
fast keine Ausschusssitzung oder Versammlung des Stadtrates, in der Kardinal nicht
geradezu genüsslich an diese Gerichtsverhandlungen erinnerte und damit Schlingenheim
zur Weißglut trieb. Zuletzt hatte er seinen konservativen Gegenspieler vor aller
Öffentlichkeit bei einer Sitzung lauthals als ›Dummschwätzer‹ bezeichnet und die
daraufhin erfolgte Rüge von Müller triumphierend zurückgewiesen mit einem Urteil,
nach dem eine derartige Bezeichnung im politischen Raum nicht als Beleidigung, sondern
als vertretbare Meinungsäußerung gelte.
Diese unverschämten Beleidigungen
und Pöbeleien würden jetzt ein Ende haben. Jansen als Kardinal-Vertreter in der
KGB-Fraktion würde nicht auf dieser Dauerfehde zwischen Kardinal und Schlingenheim
herumreiten. Er war wie seine Fraktionskollegen nur ein Mitläufer gewesen, der jetzt
wahrscheinlich orientierungslos durch den Rest der Wahlperiode taumeln würde. Ohne
Kardinal war die KGB, die seine Idee und seine Tat war, im Prinzip jetzt schon Vergangenheit.
Die KGB war seine Konstruktion, sein Weg gewesen, um auf Kosten anderer als Kommunalpolitiker
ohne geregelte Arbeit durchs Leben zu kommen.
Was genau zwischen Schlingenheim
und Kardinal vorgefallen war, wusste Müller nicht, aber es war ausreichend dafür
gewesen, dass der CDU-Mann dem verhassten KGB-Menschen die Pest an den Hals gewünscht
hatte.
Sympathie für Kardinal hegte gewiss auch das Vögelchen nicht. Auch
Pohlke hatte mit dem Kardinal einen juristischen Streit ausgefochten. Bei einer
Informationsfahrt des Stadtrates vor vier Jahren sollte Kardinal zudringlich geworden
sein, hatte Müller gehört. Als sie sich gegen
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