Kardinalspoker
seine Annäherungsversuche zur Wehr
setzte, soll er sie als ›frigide Schnepfe‹ bezeichnet haben. Der von ihr angestrengte
Beleidigungsprozess endete mit einem Freispruch für Kardinal, weil es keine beweiskräftigen
Zeugenaussagen gab. Entweder hatten die mitgereisten Politiker keine Erinnerung
mehr an den Vorfall oder gaben an, nicht dabei gewesen zu sein, als Kardinal seine
grüne Ratskollegin beleidigt haben soll. Der Hauptbelastungszeuge von Pohlke musste
bei seiner Anhörung einräumen, ziemlich betrunken gewesen zu sein und sich vielleicht
nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern zu können.
Da blieben noch SPD und FDP, Ringelzweig
und Bückenfänger. Müller konnte sich nicht vorstellen, dass diese beiden Parteien
nicht im Streit mit dem KGB-Mann gestanden hatten. Wozu sonst sollte Ringelzweig
die Frage gestellt und Bückenfänger eifrig dazu genickt haben? Aber eigentlich war
es Kardinal gar nicht wert, länger über ihn nachzudenken. Der Mann war wahrscheinlich
tot und eine Träne würden ihm allenfalls seine Angehörigen nachweinen. Wenn es denn
überhaupt Angehörige gab. Müller wusste im Prinzip nicht viel von Kardinal, außer
dass er vorbestraft war und mehr durch Pöbeleien und Nörgeleien als durch konstruktive
Mitarbeit auffiel.
Der minderjährige
Sohn von Kardinal sowie seine Frau lebten jedenfalls nicht mehr unter der von Kardinal
angegebenen Adresse. Vielleicht wussten sie noch nicht einmal von seinem Ableben.
Müller hatte einen Referenten beauftragt, Kontakt zur Familie von Kardinal herzustellen.
Er hoffte, heute noch eine belastbare Anschrift zu erhalten.
»Lassen Sie
uns festhalten, meine Dame, meine Herren«, das Duzen verkniff sich Müller in Gegenwart
von Bückenfänger und Pohlke, »der KGB-Rechner ist ohne besondere Vorkommnisse. Sollte
Kardinal noch andere, den Rat betreffende Unterlagen besitzen, müsste er sie privat
gespeichert haben.« Abstrakter hätte er Kardinals Leichen-im-Keller-Sammlung nicht
umschreiben können. »Im Rathaus können wir jedenfalls die Akte Kardinal schließen.«
»Wenn er tatsächlich
verschwunden bleibt und ein KGB-Nachfolger im Rat vereidigt ist«, piepste das Vögelchen
in belehrender Pädagogenmanier.
Die politische Korrektheit gebot
es, auf diese Bemerkung zu antworten. »Das ist ja wohl selbstverständlich«, brummte
der Oberbürgermeister.
Das Telefon vor Müller störte schrillend die eingetretene Ruhe. Man
war schon bereit für den Abgang. Ungehalten griff Müller zum Hörer.
»Ich hatte doch gesagt, ich möchte
bei dieser Besprechung nicht gestört werden«, bellte er in die Muschel. Er gab sich
gewichtig, hörte aber dennoch konzentriert zu, als seine Sekretärin redete. »Gut,
dann verbinden Sie mich bitte«, sagte er schließlich ausgesprochen höflich. Mit
einer Handbewegung bat er seine Gesprächsteilnehmer zu schweigen.
Seine Miene verfinsterte sich zusehends
während des Telefonats, das offensichtlich ein langer Monolog war, den Müller nur
gelegentlich mit einem »Ja« oder »Aha« unterbrach.
»Da braut sich was zusammen«, raunte
Schlingenheim seinem Nachbarn Ringelzweig zu und nahm dabei den funkelnden Blick
von Müller ungerührt in Kauf.
»Vielen Dank. Selbstverständlich
werde ich Ihre Informationen vertraulich behandeln«, versicherte Müller seinem Telefonpartner.
Bedächtig legt er den Hörer auf. Nur mit Mühe unterdrückte er das Zittern der Hand.
»Meine Herren«, in seiner Erregung
unterließ er die Nennung des Vögelchens, »ich glaube, die Akte Kardinal ist längst
noch nicht geschlossen. Das wird wohl noch einige Zeit dauern. Ich möchte Sie bitten,
sogar inständig bitten, Ihr Wissen für sich zu behalten.« Der Oberbürgermeister
sah verstört in die Runde der staunenden Gesichter. Was ist?, fragten sie stumm.
»Das war gerade ein Sprecher der
Staatsanwaltschaft Köln. Dort geht man davon aus, dass Kardinal nicht eines natürlichen
Todes gestorben ist.«
»Ermordet!«, piepste Pohlke erschrocken.
Ob Frage oder Feststellung, das blieb dabei offen.
Müller hörte über ihre Bemerkung
hinweg.
»Der Tote, der in Aachen am Fußballplatz
gefunden wurde, ist in der Tat Kardinal. Er wurde heute einwandfrei identifiziert.
Ich weiß nicht, von wem. Das hat mir die Staatsanwaltschaft nicht gesagt. Aber wir
können davon ausgehen, dass es stimmt. Kardinal wurde in der Gerichtsmedizin obduziert.
Und dabei fand man Spuren eines starken Betäubungsmittels. Jetzt stellt sich für
die Staatsanwaltschaft nur die
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