Kardinalspoker
meinen Sie?«
Böhnke verzichtete auf eine Antwort.
»Und am Mittwoch gibt es dann den nächsten Toten auf dem Tivoli? Quasi aus Rache?«
»Glaube ich nicht. Hier wird wahrscheinlich
vom Boulevard etwas hochgepusht, was es tatsächlich nicht gibt. Einen Fankrieg halte
ich für ausgeschlossen. Das sehen übrigens Ihre Kollegen aus dem Polizeipräsidium
genauso. Es wird wohl ein Einzelfall bleiben, bei dem momentan nicht viel dafür
spricht, dass er schnell aufgeklärt wird. Man weiß ja noch nicht einmal, wie Kardinal
zum Tivoli gekommen ist, ob er alleine war und ob es vielleicht doch noch Zeugen
gibt, die ihn gesehen haben.« Sümmerling räusperte sich erneut. »Das sind alles
Aspekte, die ich in der morgigen Ausgabe thematisieren werde. Und es wäre schön,
wenn Sie mir behilflich sein könnten.«
»Wie denn das?«, fragte Böhnke,
der nicht zu Unrecht annahm, dass Sümmerling zum zweiten Teil ihres Telefonats kam.
»Ich hatte bereits erwähnt, dass
man bei der Obduktion von Kardinal ein Mittel gefunden hat«, fuhr Sümmerling fort,
»genauer gesagt, einige Spuren eines schnell wirkenden Betäubungs- oder Schlafmittels,
je nach Dosis. Es soll – in Verbindung mit Alkohol – unter Umständen tödlich sein.
Bevor Sie mich jetzt fragen, woher ich das weiß: Eine Assistentin in der Gerichtsmedizin
in Köln ist mit einem Kollegen von mir befreundet, mit dem ich mich gelegentlich
austausche. Also, bei dem Mittel handelt es sich um ein in Deutschland nicht zugelassenes
Produkt mit dem Namen ›Permanticus spontanus‹. Soll Lateinisch sein und sagt mir
überhaupt nichts. Ihnen wird es aber nicht anders gehen, Herr Böhnke. Aber ich weiß,
dass Sie eine kluge und charmante bessere Hälfte haben, die in Apothekerkreisen
höchstes Ansehen genießt.«
Er solle endlich mit der elenden
Lobhudelei aufhören, raunzte Böhnke den Journalisten an. »Ich werde Frau Kleinereich
gleich fragen und Ihnen danach sofort Auskunft geben«, sagte er übertrieben höflich.
»Aber heute nicht mehr. Sie wissen,
mein Artikel«, sagte Sümmerling schnell. »Und grüßen Sie bitte Ihre Apothekerin
von mir. Übrigens, ehe ich es vergesse, ich habe heute Ihren Freund Tobias Grundler
im Städtchen getroffen.«
»Kann nicht sein«, entfuhr es Böhnke
spontan. Grundler hatte sich abgeseilt und turnte nach der leidigen Trennung von
seiner Partnerin irgendwo in der Weltgeschichte herum.
»Wohl wahr«, maulte Sümmerling zurück.
»Ich habe ihn in einem Café am Dom getroffen. Er saß da mit einem Typen zusammen,
der mir irgendwie bekannt vorkam. Aber ich weiß nicht, woher.«
Lieselotte kam, wie gewohnt, pünktlich. Sie war kaum umgezogen und
aus dem Kostüm in die von ihm so geliebten Jeans und Bluse geschlüpft, da hatte
er auch schon den Tisch in der kleinen Küche gedeckt und den bunten, selbst angerichteten
Salat serviert. Heute gab es ihn mit Eiervierteln, das nächste Mal war wieder Thunfisch
dran. Der Salat am Freitagabend gehörte in ihrem Leben als Auftakt zum gemeinsamen
Wochenende im ehemaligen Hühnerstall dazu, den sie zur Ferienwohnung umgebaut hatten,
die früher als geplant zu seinem Dauerwohnsitz geworden war.
»Neues vom Tivoli-Mord?«, fragte
Lieselotte kauend.
Böhnke schaute sie staunend an.
»Du interessierst dich für einen Mord?«
»Nicht unbedingt«, bekannte sie
auf seine Nachfrage und tupfte sich mit einer Serviette den Mund ab. Diese kleinen
eleganten Bewegungen mochte Böhnke an ihr. Er war stolz auf seine Partnerin, seine
Lebensgefährtin, die ihm auch ohne Trauschein die Treue geschworen hatte. »Wir schaffen’s
ohnehin nicht mehr bis zur silbernen Hochzeit«, hatte sie unlängst noch einmal gesagt,
als in einer kleinen Runde das Gespräch zufällig auf das Thema Heiraten auf den
Tisch gekommen war. Na ja, räumte Böhnke insgeheim ein. Er würde – im Falle einer
Heirat – das silberne Ehejubiläum mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr erreichen.
Aber Lieselotte? Bestimmt. Sie sah trotz ihrer kurz geschnittenen grauen Haare jünger
aus als 55 Jahre, die sie nach ihrer Geburtsurkunde schon gelebt hatte. So schlank
und sportlich, wie sie war, würde sie bestimmt 100, da war er überzeugt, und er
war froh darüber, dass sie einen Großteil ihres Lebens und den Rest seines Lebens
mit ihm teilen wollte.
»Nicht unbedingt«, sagte sie noch
einmal, als sie die Serviette ablegte und wieder zur Gabel griff. »Aber ich interessiere
mich für den neuen Tivoli, wenigstens dann, wenn es gegen die Kölner
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