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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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hatte eindeutig
nicht zugelassen, dass er die Frage stellen konnte.
     
    Die Fakten waren eindeutig zweideutig, musste Böhnke zugeben, als er
den Blitz aus der Hand legte. Ein Gast am Nachbartisch hatte das Boulevardblatt
zurückgelassen und Böhnke hatte nach dem herrenlosen Gut gegriffen.
    ›Warum musste der Kardinal sterben?‹,
prangte es übergroß auf der Titelseite. ›War es Mord? Wer wollte seinen Tod?‹
    Böhnke bemühte sich, die neuen Fakten
aus den verschiedenen Texten herauszuklauben, was nicht ganz einfach war, weil Tatsachen,
Vermutungen, Behauptungen und Erklärungen oft geschickt miteinander vermischt waren.
War die Bemerkung, Kardinal sei ein engagierter Verfechter der Belange von Bürgern
gewesen, eine Übertreibung, eine politische Bewertung oder eine Tatsachenbehauptung?
Böhnke war deswegen ebenso unschlüssig wie wegen der Andeutung, der ›Kollege‹ Kardinal
habe häufig zu spektakulären Methoden gegriffen. Insofern warfen die Berichte wieder
mehr Fragen auf, als sie Antworten gaben. Fakt war nur, die Staatsanwaltschaft hatte
eingeräumt, dass ein Fremdverschulden doch nicht ausgeschlossen werden konnte. Zu
einer weitergehenden Erklärung wollte sich die Behörde aus ermittlungstechnischen
Gründen nicht durchringen.
    ›War es Mord?‹, fragte das Boulevardblatt
noch einmal im Innenteil und zitierte den Sprecher der Staatsanwaltschaft: ›Wir
schließen nichts aus.‹ Damit war der Spekulation Tür und Tor geöffnet. ›Wer tötete
den Kardinal? Starb er, weil er als Politiker unbequem war? Oder starb er, weil
er in den Fankrieg zwischen den Alemannen- und den FC-Fans geraten war?‹ Immer wieder
neue Fragen stellte das Blatt. Und immer wieder blieb es bei den Antworten die handfesten
Fakten schuldig: Es könnte sein, dass politische Feinde den Tod veranlassten. ›Jedenfalls
kommt ihnen der Tod gerade recht in der Diskussion um die Riesenmoschee‹, antwortete
sich der Blitz selbst. Wieder durfte Oberbürgermeister Müller sein Bedauern äußern
und sein Mitgefühl für die Angehörigen versichern. Seine Stellungnahme warf prompt
die nächste Frage auf: ›Wo sind die Frau und der Sohn von Kardinal? Wissen sie von
seinem Tod?‹ Politische Feinde wurden als mögliche Drahtzieher ins Feld geführt,
aber auch verfeindete Fangruppen der Fußballvereine. ›Der Tod des FC-Fans Kardinal
wird nicht ohne Folgen bleiben‹, vermittelte das Blatt, um schon im nächsten Satz
zu beteuern, es dürfe nicht dazu kommen, dass ein neuer Krieg zwischen den Fans
ausbräche. ›Sollte der Kardinal Opfer einer Fanfehde geworden sein, so ist jetzt
Zurückhaltung gefordert‹, ließ sich der Sprecher eines Fanprojektes zitieren. Prompt
kam die nächste Frage: ›Aber können die FC-Fans jetzt Ruhe geben?‹ Immerhin sei
einer der ihren auf dem Tivoli ums Leben gekommen. In finsterer Vorahnung wurde
auf die nächste Auseinandersetzung zwischen der Alemannia und dem 1 . FC Köln
hingewiesen. Wie es das Fußballschicksal wollte, sollten die Kartoffelkäfer und
die Geißböcke schon in der nächsten Woche im Rahmen des DFB-Pokals wieder auf dem
Tivoli aufeinandertreffen. ›Bleibt es friedlich oder gibt es Krawalle?‹
    Die Böhnke brennend interessierenden
Fragen, warum etwa ein Fremdverschulden nicht mehr ausgeschlossen wurde und in welche
Richtungen die Staatsanwaltschaft ermittelte, blieben unbeantwortet; ein zweiter
Grund, Sümmerling am Abend anzurufen.

7.
     
    Einen besseren Zeitpunkt für sein Telefonat hätte er sich wohl nicht
aussuchen können, schnaubte Sümmerling ironisch, als ihn Böhnke am frühen Abend
in der Redaktion anrief. »Ich muss noch einen komplizierten Artikel schreiben und
die Druckmaschinen warten nicht auf mich. Ich stehe unter Zeitdruck.«
    Ich auch,
hätte Böhnke am liebsten gesagt. Er wollte das Gespräch beendet haben, bevor Lieselotte
ankam. Ihre gemeinsame Zeit war ihnen heilig, da sollte und wollte er sich nicht
mit seinen kriminalistischen Nebenbeschäftigungen aufhalten. Seine Apothekerin mochte
es nicht sonderlich, wenn er am Wochenende in sein altes, früheres Lebensschema
zurückfiel; es sei denn, sie wurde selbst mit einer interessanten Rolle betraut.
    »Nehmen Sie
etwa Rücksicht auf meine Belange, Herr Sümmerling?«, entgegnete Böhnke. »Sie hetzen
mir Lipperich auf den Hals und sind sogar so unverfroren, ihm meine Handynummer
zu geben. Ich meine, das reicht. Oder?«
    »Ich wollte
doch nur helfen«, rechtfertigte sich der Journalist. Meinte er es ernst oder

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