Kardinalspoker
Lieselotte Kleinereich für heute geschlossen«, bestimmte seine Liebste.
»Ich habe Lust auf eine gute Flasche Rotwein und einen blutigen Krimi.«
Während sie den Tisch abräumten,
fiel es ihr ein: Ȇbrigens, ich habe heute Tobias Grundler gesehen. Er ist wieder
in Aachen. Vielleicht solltest du ihn mal anrufen. Ich wollte ihn ansprechen, aber
er war in ein intensives Gespräch in einem Eiscafé am Markt mit einem anderen Mann
verwickelt. Ich glaube, das war der Oberbürgermeister von Köln, wenn ich mich richtig
an das Gesicht erinnere. Der ist ja oft genug im Fernsehen gewesen bei den vielen
Interviews, die er nach der Kommunalwahl gegeben hat.«
8.
Der Alte hatte wirklich nicht mehr alle Nadeln auf der Tanne, schimpfte
er bei der Rückfahrt nach Aachen. Er war sich keiner Schuld bewusst. Er hatte den
gemeinsam ausgetüftelten Plan punktgenau umgesetzt und Kardinal in die ewigen Jagdgründe
geschickt. Und jetzt war alles nicht in seinem Sinne und vollkommen dilettantisch
gewesen, hatte der Alte gemeckert. Er hätte ihm gerne widersprochen, aber er hütete
sich. Was der Alte sagte, war Gesetz. Daran hielt er sich. Wenn er eines im Knast
gelernt hatte, dann war es das Prinzip von Kommen und Gehen, basierend auf der Regel
von Befehl und Gehorsam. Wer nicht mitkam, wenn es ihm befohlen wurde, der musste
gehen, den verweigerten Gehorsam aber im äußersten Falle mit dem Leben bezahlen.
Da wurde nicht lange diskutiert. Er wusste, er hatte dem Alten viel zu verdanken.
Als er nach der langen Haftstrafe in die Freiheit entlassen wurde, hatte sich der
Alte wie selbstverständlich wieder um ihn gekümmert, ihm die Wohnung in Aachen besorgt
und ein Konto eingerichtet, auf dem regelmäßig Geld einging. Er fragte nicht danach,
woher das Geld kam, der Alte stellte es zur Verfügung. Dennoch hatte er, dem Rat
des Alten folgend, auf dem Arbeitsamt nach Arbeit nachgefragt. Die paar Kröten und
das Wohngeld flossen auf sein zweites Konto, von dem pro forma auch die Miete abgezogen
wurde, die der Alte auf dem anderen Konto wieder einzahlte. So galt er als einer
der vielen Hartz-IV-Empfänger, der nebenher ein erträgliches Einkommen hatte, von
dem die Arge nichts wusste. Ob es Schwarzgeld war? Vielleicht war es ja auch redlich
erworbenes Geld. Doch darüber machte er sich keine Gedanken. Da vertraute er dem
Alten, wie auch der Alte ihm vertrauen konnte.
Nur in einem Punkt musste er ihm
Recht geben. Es war nicht richtig gewesen, dass sein Kumpel Fuzzy dem toten Kardinal
die Papiere, die Geldbörse und auch noch den Schlüsselbund abgenommen hatte. Das
gehörte sich einfach nicht. Fuzzy hatte sich damit gerechtfertigt, es sei ihm nicht
verboten worden. Wenn er gewusst hätte, dass es nicht erwünscht wäre, hätte er die
Sachen nicht mitgenommen, behauptete er.
Jetzt hatten sie das Problem an
der Backe. Die Bullenköppe wunderten sich natürlich, wieso Kardinal blank war. Das
brachte sie vielleicht auf Gedanken, die nicht notwendig gewesen waren. Fuzzy hatte
ein Problem in die Welt gesetzt, das so überflüssig war wie eine Tiefkühltruhe in
der Antarktis. Aber was konnte man auch von Fuzzy erwarten? Er war halt ein wenig
aus der Spur, ein bisschen zu dumm, ein Mitläufer und Befehlsempfänger, der meinte,
schlauer zu sein, als er in Wirklichkeit war, und der stets das Falsche dachte,
wenn er einmal glaubte zu denken. Er kannte Fuzzy nur unter dessen Spitznamen, den
eigentlichen Namen nannte niemand. Fuzzy hieß Winfried Adamczik, wurde aber überall
nur Fuzzy genannt. Er hatte zum Freundeskreis von Kardinal gehört, wenn es den überhaupt
gab. Er war dann aber umgeschwenkt und hatte sich von ihm distanziert. Vielleicht
war es ja auch umgekehrt gewesen. Das wusste er nicht, es war ihm aber auch einerlei.
Jedenfalls waren Kardinal und Fuzzy nur noch gute Bekannte gewesen, die sich höchstens
zwei Mal im Jahr in einer Kölner Kneipe trafen und eine Gemeinsamkeit teilten: die
Liebe zum FC. So hatte es auch nicht vieler Worte gebraucht, um beide für die Fahrt
zum Auswärtsspiel auf dem Tivoli zu gewinnen, zumal keinerlei Kosten damit für sie
verbunden waren. Er hatte sich über Fuzzys Abgebrühtheit gewundert, mit der dieser
Kardinal die Plastiktüte über den Kopf gestülpt hatte. So gesehen, war die Mitnahme
von Kardinals Sachen ja eine Art Henkerslohn gewesen.
Doch da ließ der Alte nicht mit
sich spaßen. Fuzzy hatte ein Fass aufgemacht, das besser verschlossen geblieben
wäre. Das schaffte nur überflüssige
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