Kardinalspoker
reinen
Selbstschutz. Ohnehin wunderte es ihn, dass noch kein Journalist auf diesen Bordellskandal
angesprungen war. Entweder hatte Kardinal niemandem etwas gesagt oder man wartete
ab. Er musste jedenfalls gewappnet sein: Was nicht war, konnte noch kommen.
Gedanken darüber, Informationen weiterzugeben oder nicht, machte sich
auch Böhnke. Aber sie waren anderer Natur. War es jetzt nicht an der Zeit, seine
ehemaligen Kollegen im Dezernat zu kontaktieren? Auch wenn an ihrer Spitze sein
arroganter Nachfolger Schulze-Meyerdieck stand? Musste er nicht doch auf Josef Lipperich
aufmerksam machen?
Er war sich nicht schlüssig. Während
seines Spaziergangs durch Huppenbroich wägte er das Pro und Kontra ab. Im Prinzip
hatte er nur die Besorgnis von Walter Lipperich, sein Sohn könnte der Mörder sein.
Das allein reichte nicht, sagte sich Böhnke. Wenn er jetzt seine Kollegen auf ein
bestimmtes Gleis setzte, hin zu Josef Lipperich, würden sie vielleicht andere Gleise
und andere Weichenstellungen übersehen. Nein, beschloss er für sich, es ist noch
zu früh für mich, die Pferde scheu zu machen. Außerdem war es Freitagnachmittag.
Da wurde langsam das Wochenende eingeläutet und es stand nur ein Bereitschaftsdienst
für akute Fälle bereit. Da konnte er sich ruhig Zeit bis Anfang nächster Woche lassen,
entschied Böhnke, als er sich auf dem Friedhof auf eine Bank setzte, genau gegenüber
der kleinen Grünfläche zwischen den Gräbern, die einmal seine letzte Ruhestätte
werden würde.
An seiner Entscheidung hatte auch
der Anruf von Walter Lipperich am Nachmittag nichts geändert. Fast schon flehentlich
hatte der Alte auf ihn eingeredet. »Sie müssen Josef finden. Er soll sich der Polizei
stellen. Ich habe Ihnen gesagt, dass er einen zweiten Mord begehen wird.«
»Woher wussten Sie’s?«, hatte Böhnke
wissen wollen.
»Das hat mit seiner Vergangenheit
zu tun. Es tut mir zwar nicht leid um Kardinal und auch nicht um den anderen. Ich
nehme an, es handelt sich um Winfried Adamczik. Aber es ist nicht richtig, dass
Josef sie getötet hat. Ich hatte ihn gebeten, als er von Renesse zurück nach Aachen
fuhr, die Finger von Adamczik zu lassen. Aber offenbar hat er nicht auf mich gehört.«
»Moment!« Böhnke hatte Lipperich
barsch unterbrochen. »Woher wissen Sie, dass der zweite Tote Winfried Adamczik ist?«
»Ich weiß es. Das muss für den Augenblick
genügen. Es ist eine lange und tragische Geschichte, die ich Ihnen später einmal
erzählen kann.« Lipperich wich aus. »Jetzt kann es doch nur darum gehen, Josef zu
finden und ihn zu überreden, sich zu stellen. Bei mir zu Hause in Aachen ist er
nicht. Er geht jedenfalls nicht ans Telefon. Sie müssen ihn finden, Herr Böhnke.
Ich weiß, dass er auf Sie hören wird. Er würde Ihnen vertrauen. Und ich würde Ihnen
ein Honorar zahlen, wenn Sie Josef finden und vielleicht verhindern können, dass
er diesmal lebenslänglich ins Gefängnis muss.«
Er könnte nichts verhindern, wenn
der Sohn tatsächlich zwei Morde begangen hatte, dachte sich Böhnke. Aber er sagte
es Lipperich nicht. Er würde nicht dafür sorgen, aus den möglichen Morden Totschlag
zu machen, nur um eine lebenslange Haftstrafe zu umgehen.
Er wollte doch gar nichts machen, er wollte lediglich seine Ruhe haben,
stöhnte Böhnke vor sich hin. Aber anscheinend legte seine Umwelt größten Wert darauf,
dass er seine Nase in alle möglichen Dinge steckte. Müller wollte, dass er den Tod
von Kardinal als nicht politisch motiviert ermitteln sollte. Lipperich wollte, dass
er dessen Sohn Josef erwischte, ihn aber nicht als Mörder überführte. Na schön,
wenn man ihn schon nicht in Ruhe ließ, sollte man dafür blechen. »Was zahlen Sie
mir?«
»20.000 Euro, bar und steuerfrei,
ohne Quittung und garantiert sauberes Geld.«
Böhnke stutzte.
Eine derartige Summe wollte ein alter Mann zahlen, der in Klamotten herumlief, die
fast schon auf einen heruntergekommenen Penner schließen ließen?
»Hören Sie«, ließ sich Lipperich
vernehmen. »Ich bin nach dem Tod meiner lieben Frau ein wenig aus der Spur geraten
und habe mich gehen lassen, weil ich keinen Wert mehr auf Kleidung und mein Wohlergehen
gelegt habe. Und dann kam auch noch der Mist mit Josef. Aber jetzt komme ich langsam
wieder auf den Damm, hoffe ich wenigstens. Wegen dem Geld brauchen Sie sich keine
Sorgen zu machen. Davon habe ich genug.«
»Dann vererben Sie es doch«, schlug
Böhnke schnippisch vor. Ihn interessierten die
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