Kardinalspoker
Vermögensverhältnisse des Alten nicht
sonderlich.
»An wen denn? Wenn Josef wieder
im Gefängnis sitzt, nützt dem das auch nichts mehr.« Er stockte.
»Und andere Erben haben Sie keine?«
Eine lange Pause trat ein.
Böhnke nahm bereits an, Lipperich
habe grußlos das Telefonat beendet, als dieser erneut das Wort ergriff.
»Kennen Sie Heinz-Willi Büchse?«
»Muss ich den kennen?« Böhnke brauste
ungehalten auf. »Ich kann doch nicht alle Menschen auf der Welt kennen und auch
nicht alle Ihre Bekannten und Verwandten. Was ist mit diesem Heinz-Willi Büchse?«
»Heinz-Willi Büchse ist der nächste
Mann, den Josef umbringen wird. Ich weiß es. Josef hat mir gesagt, dass er ihm den
Hals umdrehen wird.«
»Dann warnen Sie doch Büchse oder
alarmieren die Polizei«, schlug Böhnke genervt vor.
»Ich weiß nur, dass Büchse in Köln
gewohnt hat. Ob er dort immer noch wohnt, weiß ich nicht. Und die Polizei schalte
ich nicht ein. Die machen kurzen Prozess mit Josef und das will ich nicht. Ich will,
dass Sie ihn finden und mit ihm zur Polizei gehen, damit er sich stellt.« Er atmete
schwer. »Und dass ich sicher sein kann, dass er nicht auf der Flucht erschossen
wird.«
»Wo finde ich Sie, Herr Lipperich?«
»Sie werden mich nicht finden, Herr
Böhnke. Ich melde mich regelmäßig bei Ihnen. Und wenn Sie Josef gefunden haben,
wird der mir garantiert Bescheid geben. Dann komme ich sofort zurück nach Aachen
und bringe Ihnen das Geld.«
War es nach diesem merkwürdigen Gespräch angebracht, die Kripo in Aachen
zu benachrichtigen? Diese Frage hatte Böhnke schnell für sich entschieden: Er würde
erst am Sonntag mit Grundler reden und ihn fragen. Quasi als Freundschaftsdienst
könnte er ihm einen Ratschlag geben. Und vielleicht sollte er bei der nächsten sich
bietenden Gelegenheit die Familie Lipperich etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Aber zunächst stand das Wochenende
an und hoffentlich eine ungetrübte Zweisamkeit mit Lieselotte.
12.
Die ungetrübte Zweisamkeit hielt nur eine Nacht und einen Morgen. Lieselotte
und Böhnke hatten ihre Gartenarbeit unterbrochen und sahen sich bei ihrem Mittagessen
mit einem Gast konfrontiert, der unangemeldet in Huppenbroich auftauchte und sich
ziemlich ungeniert zum Essen einlud. Das war wohl auch so eine selbstverständliche
Dreistigkeit, die manchem Journalisten eigen war. Unlängst erst hatte Böhnke diese
Dreistigkeit in Person des Dürener Schreiberlings Helmut Bahn im Zusammenhang mit
einer Mordgeschichte auf dem Nürburgring kennen gelernt, nunmehr bestätigte der
Journalist aus Aachen diese Erfahrung.
Hermann-Josef Sümmerling nahm wie
selbstverständlich am gedeckten Tisch Platz, ein kleiner Mann mit wieselflinken
Augen hinter einer Nickelbrille und in einem undefinierbaren Alter. Ob es an dessen
dunklem Haar lag, das eventuell gefärbt war, oder aber an der glatten Haut, wollte
Böhnke gar nicht hinterfragen. Er schätzte den AZ-Reporter auf Anfang bis Mitte
50, was stimmen konnte, wenn er sich daran erinnerte, dass Sümmerling einen jüngeren
Kollegen einmal als seinen Ziehsohn bezeichnet hatte. Dessen Name war ihm wieder
entfallen, er wusste nur, dass er einmal WDR-Regionalkorrespondent für die Eifel
gewesen war. Inzwischen hatte er wieder das Weite gesucht. Wahrscheinlich hatte
er zu der Kategorie Mensch gehört, die mit dieser Region nichts anfangen konnte.
Es gab eben nur die Entscheidung: Entweder liebte man die Eifel oder man verließ
sie. Aber er fand es nicht passend und unbedingt wissenswert, Sümmerling nach dessen
Verbleib zu fragen.
»Was treibt Sie denn in die Eifel?«,
fragte er höflich erstaunt.
»Und an unseren Tisch?«, ergänzte
Lieselotte wenig begeistert, während sie als gute und zuvorkommende Gastgeberin
ein drittes Gedeck herbeitrug.
»Sie können sich vorstellen, dass
ich nicht ohne Grund den weiten Weg aus der schönen Kaiserstadt in die tiefe Wildnis
zurücklegte«, antwortete Sümmerling lässig und bediente sich an den heißen Würstchen
im großen Kochtopf auf dem Küchentisch. »Ich habe Sie quasi in einen Fall hineingedrängt,
wenngleich ich immer noch nicht weiß, was es genau mit diesem Lipperich auf sich
hat. Vielleicht können Sie mir ja mal am Rande ein paar Details verraten.« Erwartungsvoll
blickte er Böhnke an und schob sich ein Stück Wurst in den Mund.
»Geht nicht«, sagte Böhnke entschieden.
»Das fällt unter Mandantenschutz. Ich bin von ihm mit einer Ermittlungsarbeit beauftragt
worden.« Der
Weitere Kostenlose Bücher