Kardinalspoker
nur durch Huppenbroich
spazieren geht. Der dachte wohl, in der Eifel wimmele es nur so von energiegeladenen
Athleten im besten Lebensalter, und dann findet er einen maladen Sesselfurzer in
abgewetzten Jeans und ausgeleiertem Flanellhemd vor.«
Böhnke grämte sich keineswegs über
diese Einschätzung. Er war Grundlers bisweilen drastische Wortwahl gewöhnt. Sollte
Müller ihn ruhig als alt und abgearbeitet einschätzen. Zugleich stachelte ihn das
wenig schmeichelhafte Urteil des Oberbürgermeisters an. Dem würde er es zeigen!
»Er hat nur von böhmischen Dörfern
gesprochen und von diesem toten Ratsmitglied Kardinal. Ich vermute ganz stark, der
Müller steckt irgendwie ganz tief in der Sache drin. Warum sonst hätte er mich mit
Kardinals Tod konfrontieren sollen? Aber er hat es mir nicht gesagt. Ich bekomme
es aber garantiert heraus, wenn ich will. Und dann wird der Herr Jurist, der nur
mit Hilfe eines anderen abgewrackten Juristen sein Studium überhaupt auf die Reihe
gekriegt hat, sich warm anziehen müssen.« So, jetzt hatte auch Grundler sein Fett
weg, sagte sich Böhnke zufrieden. Ein bisschen Provokation musste ab und an sein.
»Der Müller kann doch nicht wirklich
glauben, ich finde nur heraus, ob Kardinal nicht aus politischen Motiven sterben
musste. Das ganze Leben ist politisch. So«, er schwenkte bildlich von seinem allgemeinen
Gerede um in eine konkrete Frage, »was weißt du über die Beziehung zwischen Kardinal
und Müller? Denn da gibt es garantiert eine Beziehung, die nicht an die Öffentlichkeit
kommen soll.«
»Commissario, du bist und bleibst
hintertrieben«, wollte Grundler abschweifen.
Doch bremste ihn Böhnke sofort aus.
»Fakten, mein Freund, kein Gelaber.«
Nach dem Versprechen, sein Wissen
nicht weiterzugeben, berichtete Grundler über den gemeinsamen Bordellbesuch von
Müller und Kardinal. »Der Werner will jetzt natürlich unter allen Umständen verhindern,
dass diese ärgerliche Geschichte publik wird. Der hat Angst, das könnte seine Ehe
beenden und seiner politischen Karriere mehr schaden, als er vertragen könnte.«
»Und ich soll jetzt herausfinden,
ob es überhaupt Belege für den gemeinsamen Besuch gibt, und beweisen, dass diese
Männergeschichte ohne Bedeutung für Kardinals Tod ist? Verstehe ich das richtig?«
»Du bist ein Schnelldenker.«
»Und wie stellt ihr euch das vor?«
»Bin ich der Schnelldenker oder
du?« Der Anwalt lachte kurz auf. Das Einfachste wäre wohl, Böhnke käme zu dem Ergebnis,
dass Kardinal aus einer anderen Motivation heraus ums Leben kam. »Alles darfst du
herausfinden. Nur keinen politischen Hintergrund. Den musst du ausschließen.«
»Könnte es denn auch einen anderen
politischen Hintergrund geben als den von Müller?«, fragte der Pensionär zweifelnd.
»Im Prinzip schon. Am liebsten wäre
Müller wahrscheinlich, wenn tatsächlich Fußball-Randalierer dahinterstecken würden.
Dann wäre er aus dem Schneider und hätte nichts mit dem Tod zu tun.«
»Und was wäre dann?«
»Das soll dir gegebenenfalls Müller
sagen. Ich werde mit ihm reden. Er soll dir reinen Wein einschenken. Andernfalls
würdest du aussteigen und auf dessen Tagessätze verzichten.«
»Wessen Tagessätze?«, fragte Böhnke
verblüfft.
»Der zahlt mir für jeden Tag, an
dem du für ihn recherchierst, 1.800 Euro. 1.000 Euro davon sind für dich, der bescheidene
Rest die Provision für mich.«
Böhnke ließ die dreiste Bemerkung
im Raum stehen. Über diese Art der aufgezwängten Beschäftigung und die Verteilung
eines Honorars würde bei passender Gelegenheit zu reden sein.
»Und was ist mit der Presse? Weiß
die von dem Bordellbesuch oder weiß sie nicht. Es kann ja durchaus sein, dass jemand
davon Kenntnis hat, diese aber aus strategischen Gründen zurückhält.«
Wie gut, dass er oft genug mit Journalisten
zusammengearbeitet hatte, dachte sich Böhnke. Da hatte er so manchen Kniff gelernt
und von so mancher Tücke erfahren.
»Wahrscheinlich weiß niemand davon,
außer Kardinal und Müller. Für die Pressefuzzis wäre das ein gefundenes Fressen.
Da könnte so mancher scheinheilige Moralapostel wieder über den Verfall der guten
Sitten lästern.« Grundlers Verhältnis zur Journaille schien nicht das beste zu sein.
»Ich kann diese Typen nicht ab, die sich als Betroffenheitsjournalisten im Leid
anderer suhlen. Da steckt so mancher Alki drin, der Wasser predigt, aber Wein säuft.«
»Zählst du Sümmerling und seine
Kollegen aus Aachen etwa auch dazu?«
»Natürlich
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