Kardinalspoker
Rauschgift.«
»Dann ist der ja kein gewöhnlicher
Einbrecher«, knurrte Böhnke, diese Kritik nicht auf sich sitzen lassend. Er betrachtete
nachdenklich seinen Begleiter. »Wenn dem so wäre: Was befand sich denn auf den gestohlenen
Datenträgern aus Kardinals Wohnung und wer kann daran Interesse haben?«
»Du stellst die richtige Frage«,
lobte Grundler. »Aber ich werde sie dir nicht beantworten. Später vielleicht. Ich
will noch einen zweiten Aspekt ins Gespräch bringen: Was ist, wenn der Einbrecher
gar kein Einbrecher war, sondern einen Schlüssel für die Wohnung hatte?«
»Weil er ihn Kardinal klaute«, warf
Böhnke ein. Er hatte wieder Tempo aufgenommen. Er verspürte Durst auf einen Kaffee.
»Das wäre eine logische Möglichkeit,
denkbar wäre aber auch eine zweite.«
»Und welche?«
»Na ja«, sagte Grundler bedächtig,
»immerhin ist die Wohnung Eigentum der Großknecht-Familie.«
»Willst du etwa damit andeuten,
die Großknechts dringen in eine ihrer Wohnungen ein, die sie kostenlos Kardinal
überlassen haben, um die elektronischen oder papiernen Unterlagen in ihren Besitz
zu bekommen?«
»So ist es, mein Freund«, bestätigte
Grundler ernst. »Die Familie Großknecht hat größtes Interesse daran, dass die Unterlagen
und Dateien nicht in fremde Hände fallen.«
»Dann unterstellst
du aber, dass die Unterlagen überhaupt brisante Details enthalten.«
»Davon gehe
ich aus«, meinte der Anwalt. »Um es kurz zu machen: Die Familie Großknecht hat mich
mandatiert. Ich soll vornehmlich die Rechte ihrer Tochter Sylvia wahrnehmen. Sylvia
hatte vor knapp fünfzehn Jahren, gerade einmal volljährig, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion
Kardinal geheiratet. Warum manche Frauen auf Brutalos stehen, werde ich wohl nie
verstehen. Die Eltern, die von dieser Heirat total überrascht wurden, fanden jedenfalls
schnell heraus, dass es sich bei Kardinal um einen Nichtsnutz handelte, der nicht
gerade den besten Leumund vorweisen konnte. Und auch Sylvia lernte schnell und schmerzhaft,
dass Kardinal nicht nur brutal wirkte, sondern auch brutal war. Schon in der Hochzeitsnacht
hat er sie das erste Mal geohrfeigt, weil sie sich im Bett nicht so verhielt, wie
er es wollte. Er eignete sich gewiss nicht als Schwiegersohn und zukünftiger Chef
des Imperiums. Keine Bildung und schon die ersten Strafen wegen Körperverletzungsdelikten
auf dem Kerbholz. Dieter und ich haben damals schon daran mitgewirkt, um diese Ehe
zu annullieren. Kardinal ließ sich darauf ein, als man ihm ein nettes Handgeld bot
und die kostenlose Überlassung der Wohnung in Aachen. So schnell, wie er gekommen
war, verschwand er auch wieder aus dem Leben der Familie Großknecht.«
»Bis er als
Leiche wieder auftauchte«, kommentierte Böhnke kopfschüttelnd. Sie waren nicht mehr
weit vom Hühnerstall entfernt.
»Du sagst es. Als Sylvia erfuhr,
dass Kardinal tot war, ist sie sofort in die Wohnung und hat alles mitgenommen,
was Hinweise auf sie oder ihre Familie enthalten könnte.«
Böhnke grübelte. Konnte es nicht
sein, dass Kardinal sich an die Familie gewandt hatte, um mit der gemeinsamen Vergangenheit
Geld zu verdienen? Und konnte es nicht sein, dass die Familie daraufhin seinen Tod
herbeigeführt hatte oder herbeiführen ließ? Aber er behielt die Gedanken für sich
und hörte wieder Grundler zu.
»Sylvia hat mir die Unterlagen gebracht.
In einem Aktenordner habe ich den Aufhebungsvertrag gefunden. Wenn der in falsche
Hände geraten wäre, das hätte zu einem handfesten Skandal werden können. Die Großknechts
wären doch garantiert in Verdacht geraten, am Tod von Kardinal beteiligt gewesen
zu sein.«
Böhnke ging auf diese Bemerkung
nicht ein. Er würde den Kreis möglicher Täter ausdehnen, auch wenn es Grundler nicht
behagte. »Und was gibt’s sonst noch an Erkenntnissen?«
»Ich habe noch nicht weitergesucht.
Der Vertrag war mir am wichtigsten. Ach ja.« Er klopfte seine Hosentaschen ab. »Ich
wollte dir den Schlüssel zur Wohnung geben. Die Polizei hat sie wieder freigegeben.
Vielleicht findest du ja auch noch was. Du kannst dann deine Erkenntnisse mit den
Daten abgleichen, die ich habe. Einverstanden?«
Warum nicht?, dachte sich Böhnke.
Vielleicht enthielten die Unterlagen von Kardinal ja Hinweise, die mit seinem Tod
zusammenhingen. Selbst auf die Gefahr hin, dadurch Grundler und seine Mandanten
Großknecht noch tiefer in den Kreis der Tatverdächtigen hineinzuziehen.
»Mist!«, hörte er Grundler fluchen.
Sie standen bereits vor der
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