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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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Oberbürgermeister
Müller bei nächster Gelegenheit fragen, nahm Böhnke sich vor.
    Das von ihm beabsichtigte gemeinsame
Mittagessen könne er sich abschminken, kommentierte Lieselotte seine Einladung.
»Wir haben zu viele Kranke«, erläuterte sie, ohne zu sagen, ob sie damit Mitarbeiterinnen
oder Kunden meinte. Aber er habe genügend Lesestoff, tröstete sie ihn. Sümmerling
habe ebenfalls seine Ankündigung wahr gemacht und einen dicken Stapel Papiere abgeliefert.
    »Das scheint ja ein merkwürdiges
Früchtchen gewesen zu sein, dieser Kardinal«, gab sie von sich. Sie musste auflachen,
als sie Böhnkes irritierten Blick bemerkte. »Ich habe mir natürlich einige Artikel
durchgelesen. Ich muss doch wissen, über was du dich eventuell aufregst. Und noch
etwas«, rief sie ihm hinterher, als er mit dem Aktenordner die Apotheke verließ.
»Du sollst heute Nachmittag noch Tobias Grundler anrufen. Er will wissen, was du
erreicht hast.«
    Wenn’s weiter nichts ist, grummelte
Böhnke. Im italienischen Eiscafé am Markt mit dem wunderschönen Blick auf das mächtige,
historische Rathaus mit der markanten steinernen Treppe fand er einen passenden
Tisch, auf dem er demonstrativ die Unterlagen ausbreitete. Es sollte sich bloß niemand
trauen, sich zu ihm zu setzen, um mit ihm zu reden.
    Diese Geselligkeit zwischen Fremden
hatte ihm noch nie behagt. Er wusste, wie solche Gespräche üblicherweise abliefen.
»Schön, wa«, würde der Tischnachbar ungeniert sagen und auf eine Reaktion warten.
Wenn sie nicht käme, würde er unverdrossen das Gespräch weiterführen und so lange
monologisieren, bis der andere endlich mitmachte. Kommunikationsfreudig, würde ein
Beobachter sagen, offen und entgegenkommend seien die Öcher.
    All das brauchte Böhnke nicht. Er
brauchte seine Ruhe.
     
    Lieselottes Eindruck traf zweifelsohne zu. Kardinal
war in der Tat ein merkwürdiges Früchtchen gewesen, wenn er die Zeitungsberichte
und Dossiers zugrunde legte, die der Kölner Kollege des AZ-Reporters zusammengetragen
hatte. Zwar war das Leben des toten Kommunalpolitikers nicht lückenlos dargelegt,
aber es gab viele Hinweise auf seine Methoden und sein Handeln. Die Unterlagen begannen
mit dem ersten Auftritt von Kardinal in der Öffentlichkeit. Er brachte als Herausgeber
und Chefredakteur eine Stadtteilzeitung für Müngersdorf mit vage gehaltenen Artikeln
heraus, die mit Müngersdorf nichts zu tun hatten. Rechtschreibfehler und eine schlechte
Gestaltung mit vielen zerstückelten, auf mehrere Seiten verteilten Berichten machten
die Lektüre des ›Gewitter‹ äußerst schwierig. Kardinal lästerte im Prinzip mit Stammtischparolen
über die Kölner Kommunalpolitik. ›Die Stadt Köln ist nur deshalb so dreckig, weil
die herrschenden Herren Politiker wahrscheinlich viel Dreck am Stecken haben‹, schrieb
er höhnisch und zeigte dabei auf einen überquellenden Papierkorb. Wie der Zeitungsredakteur
am Rande des beigefügten Fotos vermerkt hatte, handelte es sich bei der Aufnahme
um eine Montage, die im Internet in einer Bilddatei kostenlos angeboten wurde. Niemand
konnte sagen, ob die Fotografie überhaupt aus Köln stammte. Kardinal nahm es nicht
so genau, Hauptsache, er konnte lästern, wie Böhnke an einem zweiten Beispiel erkannte.
In seinen Berichten mischte Kardinal ohne Bedenken Kommentar, Behauptung und Berichterstattung.
›Kein Geld für die Bürger, aber der Stadtrat feiert‹, schimpfte er und zeigte als
Beleg eine Fotografie, auf der sich mehrere Ratsmitglieder fröhlich zuprosteten.
Er unterließ die Erklärung, die der Redakteur anmerkte, dass nicht der Stadtrat
gefeiert hatte, sondern ein Ratsherr seinen 75. Geburtstag, zu dem er einige Fraktionskollegen
und befreundete Politiker eingeladen hatte.
    Die Methode von Kardinal, der sich
nach den ersten beiden Ausgaben des ›Gewitter‹ als Journalist bezeichnete, ›der
die Wahrheit in Köln auf den Punkt bringt‹, war leicht durchschaubar. Er setzte
auf Neid, auf die unterschwellige Behauptung, es könne den Gebeutelten besser gehen,
wenn die anderen etwas abgeben und nicht so viel verprassen würden.
    Kardinal hatte
mit seiner Methode Erfolg, wie Böhnke bei der nächsten Ausgabe des Blättchens feststellte.
Deutlich mehr Anzeigen von Händlern und Gewerbetreibenden aus dem Viertel unterbrachen
die immer noch fehlerhaften Aufsätze, die mit einer seriösen journalistischen Herangehensweise
an ein Thema nichts zu tun hatten. Dann endlich schien sich Kardinal ein

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