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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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ja mal erkundigen.«

15.
     
    Mit wenig Begeisterung beobachtete Lieselotte, wie Böhnke die Unterlagen
von Sümmerling in Huppen­broich aus dem Wagen holte. »Dass du mir die Dinger heute
nicht mehr anpackst, mein Lieber«, mahnte sie.
    Ihr Unbehagen wurde noch größer,
als sie aus dem Briefkasten einen dicken Umschlag zog, auf dem als Absender die
Stadt Köln erkennbar war. »Dein neuer Freund hat dir auch noch was geschickt«, meinte
sie. »Ich möchte dich aber bitten, mich heute Abend nicht wegen dieser Lektüre zu
vernachlässigen. Sonst wird das hier für mich langweiliger als in Aachen. Dann hätte
ich gleich dableiben können. Darum kannst du dich gefälligst morgen kümmern.«
    Wie käme er dazu, der Bitte seiner
Liebsten nicht zu folgen. Selbstverständlich werde er sich nur mit ihr beschäftigen,
versicherte er Lieselotte, wenngleich es ihm in den Fingern juckte, die Post aus
Köln zu öffnen. Aber er widerstand der Versuchung, als sie sich im Schlafzimmer
umzog, um ihr Kleid gegen Jeans und Bluse zu tauschen. Müller musste warten, jetzt
widmete er sich ganz seiner attraktiven, jung gebliebenen Apothekerin.
     
    Kein Grund zur Eile, redete er sich am nächsten Tag ein. Erst das Frühstück,
dann die Hausarbeit, danach ein kleiner Spaziergang. So sah der Plan für den Vormittag
aus, bevor er zu dem Brief von Müller greifen würde. Der Abend mit Lieselotte hatte
ihm einmal mehr gezeigt, dass die Prioritäten in seinem Pensionärsdasein anders
waren als im Berufsleben. Das Private und das Erholsame waren wichtiger als Ermittlungen
um jeden Preis. Und so ließ er es langsam angehen. Die Post von Müller lief ihm
nicht davon.
    Er hielt sich an seinen Plan, nachdem
er sich beim Gang durch das Dorf Gedanken über Kardinal nach der Lektüre von Sümmerlings
Unterlagen gemacht hatte. Er blieb bei seiner ersten Einschätzung. Danach war Kardinal
ein gewiefter, trickreicher Mensch, der auf bequeme Art und Weise unter Ausnutzung
aller Regeln in seinem Sinne auf Kosten anderer und der Allgemeinheit lebte.
    Aber reichten diese Umstände aus,
um ihn umzubringen?
    Böhnke verneinte diese Frage für
sich. Er wusste zu wenig über diesen Mann. Was machte er privat? Beruflich? Wie
und wo lebte er?
    Antworten erhoffte er sich aus der
Post von Müller. Tief musste er durchatmen, nachdem er, am Küchentisch sitzend,
den Umschlag geöffnet hatte. Auf rund 50 Papierblätter schätzte er den Inhalt, dicht
beschrieben und ohne Zwischentitel.
    ›Ich habe
Ihnen eine Kopie gemacht von meinem Dossier über Kardinal‹, hatte Müller in einem
handschriftlichen Vermerk erklärt. ›Die Unterlagen aus dem Rathaus über Kardinal
sind umfangreich und wahrscheinlich für Sie gar nicht alle auf einen Rutsch zu lesen.
Ich schlage Ihnen vor, Sie rufen mich an, wenn Sie meinen, es ist sinnvoll.‹
    Nach dem Gruß hatte Müller noch
ein post scriptum angefügt: ›Zu Beginn finden Sie eine Art Lebenslauf. Das dürfte
zunächst reichen. Anschließend folgen nämlich nur noch Reden, Anträge und Wortbeiträge,
die von Kardinal stammen und für Nichteingeweihte wenig interessant sein dürften.‹
    Dass Kardinal Mitte 40 war, wusste
Böhnke bereits aus den Zeitungen. Jetzt erfuhr er dessen genaues Geburtsdatum: 25.
Mai 1962. Kardinal war in einem Krankenhaus in Köln geboren worden, hatte eine Realschule
auf der rechtsrheinischen Seite besucht und den Abschluss der Klasse 10 als 18-Jähriger
gemacht. Danach gab Kardinal eine Bundeswehrzeit an und sehr diffuse Tätigkeiten
als Arbeiter und Angestellter. Böhnke schloss daraus, dass Kardinal über keine abgeschlossene
Berufsausbildung verfügte. Für einige Jahre verlor sich seine Spur. Als Nächstes
gab Kardinal an, seit rund zehn Jahren als Journalist tätig zu sein, ohne die Medien
konkret zu benennen, für die er gearbeitet haben wollte. Nach den Unterlagen aus
dem Rathaus übte er diese Tätigkeit immer noch aus. Mit einigem Erstaunen blickte
Böhnke auf ein leeres Formblatt, auf dem Ratsmitglieder ihre ehrenamtlichen, nebenberuflichen
oder außerordentlichen Beschäftigungen in Vereinen, Gremien oder Aufsichtsräten
mitteilen sollten. Nach dieser Leere zu urteilen, tat Kardinal nichts, was insofern
nicht stimmen konnte, da er Gründungsmitglied und Vereinsvorsitzender der KGB gewesen
war. Böhnke erinnerte sich an eine Hetzkampagne im ›Gewitter‹, bei der Kardinal
die ehrenamtliche Vorstandsstätigkeit eines Ratsherrn anprangerte, für die dieser
eine offizielle, angemeldete

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