Kardinalspoker
Aufwandsentschädigung erhielt, und sich dabei auf das
Formblatt des Stadtrates bezog.
Interessiert suchte Böhnke nach
weiteren Einzelheiten aus dem Privatleben von Kardinal. Eltern nannte er keine.
Er war seit 13 Jahren verheiratet und Vater eines 14-jährigen Sohnes namens Phillip.
Erst das Kind, dann die Ehe, vermutete Böhnke. Über die Kurzehe oder annullierte
Ehe mit Sylvia Großknecht gab es in dem Personalbogen keine Hinweise. Offenbar hielt
sich Kardinal insofern an seine Vereinbarung.
Was Böhnke allerdings auffiel, waren
die häufigen Wohnungswechsel des Mannes innerhalb von Köln während seiner nunmehr
zwölfjährigen Ratsmitgliedschaft. Kardinal war in diesen Jahren vier Mal umgezogen.
Als letzte Adresse war eine Straße in Köln-Junkersdorf genannt. Das war der Stand
von vor zwei Jahren.
Als wenig erhellend bezeichnete
Böhnke die Informationen für sich. Unter ihnen fand sich keine, die auf den ersten
Blick Mutmaßungen zuließ, mit dem Mord auf dem Tivoli zusammenzuhängen. Die von
Müller als erhellend angepriesenen Fakten erwiesen sich im Prinzip als belanglos.
Und die Fragen, die diese Papiere aufwarfen, suchten in dem Wust der vielen Blätter
vergeblich nach Antworten.
Böhnke seufzte. So kam er nicht
weiter, wobei er sich die Frage stellte, ob er überhaupt weitermachen sollte. Nach
dem, was er wusste, war Kardinal nicht aus politischen Motiven ums Leben gekommen.
Damit hatte er ein Ergebnis herausgefunden, das seinen Auftraggeber Müller zufriedenstellen
würde. Aber andererseits … Böhnke grübelte.
Er eröffnete das Gespräch mit einem Frontalangriff. »Die Unterlagen,
die Sie mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben, sind trotz ihres beachtlichen
Umfangs lückenhaft«, warf er Müller am Telefon vor.
»Wieso?«, fragte der Oberbürgermeister
scheinbar unbeeindruckt.
»Zum einen
fehlen in der Chronologie einige Jahre, zum anderen weiß ich aus anderen Quellen,
dass Kardinal mehrfach in Strafverfahren verwickelt war. Über diese Aspekte vermisse
ich Informationen.« Böhnke ärgerte sich über Müller, der es bei seiner Frage belassen
hatte und nicht, wie in den meisten Fällen üblich, von sich aus zu einer Erklärung
ansetzte. Aber das war vermutlich Politikermanier, sich nicht aus der Reserve locken
zu lassen. »Sie haben mich nur selektiv informiert«, behauptete Böhnke. »Ich glaube,
Sie halten einige Informationen zurück, Herr Müller.«
»Das stimmt nicht«, widersprach
der Oberbürgermeister heftig. Es könne allenfalls sein, dass die Akte nicht vollständig
sei, weil er selbst nicht vollständig informiert worden wäre. »Ein Beispiel: Kardinal
ist das einzige Ratsmitglied, das nichts über Nebentätigkeiten mitteilt. Er ist
zwar nach dem Gesetz dazu verpflichtet, hat sich aber bisher geweigert mit Hinweis
auf einen ehemaligen deutschen Innenminister, der ebenfalls seine Nebeneinkünfte
nicht offenlegen wollte. Und wir haben in der Verwaltung weitaus Wichtigeres zu
tun, als uns um etwaige Nebenverdienste eines Ratsmitgliedes zu kümmern. Wenn da
kein Druck von anderen Politikern kommt, bleibe ich in dieser Sache untätig.«
»Warum haben denn die anderen Ratsvertreter
nichts unternommen?«, fragte Böhnke verwundert.
»Keine Ahnung. Vielleicht hatten
die Angst, Kardinal hätte ihre Nebentätigkeiten in seinem Randaleblättchen veröffentlicht,
wenn sie ihn zur Offenlegung seiner anderen Tätigkeiten gezwungen hätten. Nach dem
Motto: Ich tu dir nichts, wenn du mir nichts tust. Im Prinzip sind das doch alles
Angsthasen. Und dieses Wissen nutzte Kardinal aus, um sich aufzuspielen und die
anderen tanzen zu lassen.« Müller lachte kurz ins Telefon. »Aber diese Verhaltensstruktur
finden Sie wohl in jedem Stadtrat und anderen politischen Gremien. Es wird mehr
geschwiegen als gesagt, weil man befürchtet, es könne etwas über einen selbst herauskommen.
Der Freche und Dreiste bestimmt über die Zauderer und Schwachen.«
Böhnke verspürte
keine Lust, einen Vortrag über die Gepflogenheiten von Politikern im Umgang miteinander
über sich ergehen zu lassen. Brüsk unterbrach er daher den Oberbürgermeister. »Haben
Sie nun noch etwas über den Lebenslauf von Kardinal und seine Strafverfahren oder
nicht? Und falls nicht, kümmern Sie sich bitte darum?«
Müller ließ sich lange Zeit mit
einer Antwort. »Ich kümmere mich drum«, sagte er schließlich, wobei Böhnke unschlüssig
war, ob Müller es tatsächlich ernst meinte oder ihn nur hinhalten wollte.
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