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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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effektiv.
Irgendjemand würde vielleicht irgendwann irgendwo rheinabwärts die Leiche finden.
Vielleicht könnte eine Obduktion Klarheit bringen, um wen es sich dabei handelte,
vielleicht blieb es bei einer nicht identifizierbaren Wasserleiche. Er konnte nicht
klar nachvollziehen, weshalb der Alte den Typ aus dem Verkehr ziehen wollte. Sicherlich,
der Vogel redete oft und viel, plauderte irgendwelchen Scheiß und brüstete sich
mit tatsächlichen oder erfundenen Heldentaten, die im Prinzip Verbrechen waren.
    »Betrachte es als Vorsichtsmaßnahme«,
hatte ihm der Alte gesagt. »Schalte ihn aus, bevor der sich verplappert und uns
alle reinzieht.«
    Wohlweislich hatte er seine Bedenken
zurückgehalten. Loyalität zu bekunden, nur das zählte momentan. Und wenn er sich
an den Alten hielt, konnte ihm nicht viel passieren.
     
    Sie hatten sich an der Arena verabredet. Für ihn war und blieb die
markante Halle auf der schäl Sick in Deutz mit dem weithin sichtbaren Henkel die
Kölnarena, auch wenn sie inzwischen den Namen eines Chemiekonzerns aus dem benachbarten
Leverkusen trug. Er hatte sich in Aachen in einen Regionalzug gesetzt, der ihn bis
zum Bahnhof Köln-Deutz gebracht hatte. Von dort war er in wenigen Minuten zu Fuß
in der gewaltigen Veranstaltungshalle, in der er sich nun mit seinem ahnungslosen
Kumpel bei einer Oldie-Night vergnügte, auch wenn dieses Vergnügen für einen von
ihnen tödlich enden würde.
    Die Musik
konnte ihn allerdings nicht vom Hocker reißen, insofern war sein Vergnügen nicht
grenzenlos. Er konnte die vielen entrückten oder verzückten Menschen um sich herum,
die meisten davon um die 50, nicht verstehen, die jubelten und bei den Liedern mitsangen.
Boney M, George McCrea, Bee Gees oder Showaddywaddy, die Namen der Interpreten,
oder das, was von ihnen übrig geblieben war, die unaufhörlich hintereinander im
vermutlichen Halbplayback ihre Hits aus vergessenen Zeiten trällerten, hatte er
zwar ebenso gehört wie deren vermeintlichen Hits. Aber er konnte den musikalischen
Darbietungen nichts abgewinnen.
    »Dat kannste
nur im Suff ertragen«, meinte er zu seinem Kumpel und machte sich zum wiederholten
Male auf den Weg zu einem Getränkestand: ein alkoholfreies Kölsch für sich selbst,
ein Kölsch, mit einem doppelten Wodka verlängert, für den Zwerg. Im Vergleich zum
ihm war der Kumpel tatsächlich ein Zwerg, nicht nur ein körperliches Leichtgewicht,
sondern auch ein geistiges. Dem Stuss, den der Kumpel von sich gab, hörte er nicht
zu. Langsam füllte er seinen Begleiter ab, der gar nicht bemerkte, dass das Bier
ihm jeweils eine doppelte bis dreifache Dröhnung verpasste.
    Er wusste,
der Zwerg konnte erstaunlich viel vertragen. Aber einmal würde im Laufe der Nacht
der Zeitpunkt kommen, an dem er volltrunken in seine Arme sinken würde. Und dann
hatte er ein leichtes Spiel.
     
    Erst nach Mitternacht erreichte die Oldie-Night ihren Höhepunkt, auf
den wohl die meisten der vielen tausend Menschen gewartet hatten. Suzi Quatro, eine
winzige Person mit einer gewaltigen Stimme und einem überbordenden Temperament.
Immer noch spielte die in schwarze Ledermontur gekleidete Frau ihre alten Hits.
    Er erinnerte sich an die Lieder,
er kannte sie und hatte sie selbst oft genug gedudelt. ›48 Crash‹ war nicht nur
für ihn eines der besten Stücke der Rockgeschichte.
    Auch in dem Zwerg erwachten zu seiner
Überraschung wieder die Lebensgeister. Er zappelte und hampelte herum, als habe
er noch keinen einzigen Tropfen Alkohol intus.
    Er ließ sich vom Verhalten seines
Kumpels nicht irritieren. Zur Not würde er erst mit dem ersten Zug nach der Nachtpause
nach Aachen zurückfahren.
    Der Zwerg hatte noch nie ins Bier
gespuckt. Und wenn ihn schon sein Freund zu diesem Konzert und einer anschließenden
Sauftour einlud, da sah er keinen Grund abzusagen, zumal ihm die Mucke gut gefiel
und das Bier verdammt gut schmeckte. »Zugabe, Zugabe!«, grölte er begeistert mit,
als der Wirbelwind auf der Bühne den rasanten Auftritt beendet hatte.
    Selbstverständlich rockte die schmächtige
und doch so kraftvolle Lederbraut weiter, derweil er den Zwerg mit dem x-ten Starkstrombier
versorgte. Er hatte Zeit. Je später sein Opfer zusammensackte, umso besser für ihn.
Je weniger Nachtschwärmer unterwegs waren, umso größer war die Sicherheit, keine
Zeugen zu haben.
    »48 Crash«, lallte der Zwerg, als
sie endlich, weit nach eins, die Arena im Geschiebe der anderen Besucher verließen.
»48 Crash«, gab er torkelnd von

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