Kardinalspoker
sich,
als sei er mit einem Eimer Jauche überschüttet worden. War die Namensgleichheit
purer Zufall? »Ist das ein Sohn von Walter Lipperich und ein Bruder von Josef?«
»Woher soll ich das wissen? Da müsste
ich die uralten Ermittlungsakten aus dem Archiv kramen. Diese Einzelheiten stehen
nicht im Überblick.«
»Na gut«, knurrte Böhnke unzufrieden.
»Und wer ist der Zeuge, der Kardinal entlastet hat?«
»Sein Name ist Winfried Adamczik.«
Böhnke glaubte, die Bekanntschaft
mit dem nächsten Jaucheeimer zu machen. War das ein weiterer Zufall? Ein Todesopfer
namens Lipperich, ein Zeuge namens Adamczik und ein Drahtzieher namens Kardinal?
Er behielt seine Überlegungen für sich.
»Was hast du für mich in der Totschlaggeschichte
bei dem Fußballspiel?«, fragte er.
»Eine Merkwürdigkeit«, antwortete
Küpper spontan, als habe er auf diese Frage gewartet. »Der Tote ist Dieter Lipperich,
der Bruder von Stephan.«
Böhnke schluckte, er schmeckte die
fiktive Jauche. »Das ist mehr als merkwürdig, wenn du mich fragst. Ein Lipperich-Sohn
stirbt bei einer Sache, bei der Kardinal seine Finger im Spiel hat, und dann kommt
ein zweiter Lipperich-Sohn ums Leben. Und wieder steht Kardinal im Blickpunkt. Hat
die Staatsanwaltschaft da etwa keine Verbindung gesehen?«
»Weiß ich nicht. Wahrscheinlich
nicht, oder wenn doch, konnte diese Verbindung nicht nachgewiesen werden. Müsste
eventuell in den verstaubten Akten stehen, ist ja fast eine Ewigkeit her.«
»Aber du kannst mir die verstaubten
Akten besorgen?« Böhnkes Frage war eher eine Bitte, nein, eine Forderung. Er wollte
Klarheit. Immerhin gab es vier Tote: die Lipperich-Brüder sowie Kardinal und Adamczik.
Und es gab einen möglichen Mörder, Josef Lipperich. Er zermarterte sich das Gehirn
wegen der beiden in Köln Getöteten aus Aachen. Er war damals wohl nicht eingeschaltet
worden, jedenfalls konnte er sich nicht erinnern, die Lipperich betreffenden Fälle
auf dem Schreibtisch gehabt zu haben. Da hatten wohl die zuständigen Ermittler aus
Köln gemeint, sie brauchten keine kollegiale Unterstützung aus der Aachener Provinz
bei der Aufklärung der Fälle.
Böhnke konzentrierte sich wieder
auf das Telefonat mit Küpper. »Einen Namen schuldest du mir noch.«
»Du meinst den des Entlastungszeugen
bei der Schlägerei nach dem Fußballspiel?«
»Ja.«
»Der Zeuge heißt Heinz-Willi Büchse.«
›Hab ich mir fast gedacht‹, hätte
Böhnke am liebsten gesagt. Aber er biss sich nur erschrocken auf die Lippe und spürte
wieder den Jauchegeschmack im Mund.
»Du schaffst irgendwie die alten
Akten her!«, forderte er Küpper auf. »Ich brauche sie unbedingt!«
»Und was machst du?« Die Gegenfrage
gab ihm die Gewissheit, dass Küpper sich darum kümmern würde. Der Freund ging schon
einen Schritt weiter.
»Ich werde alle Hebel in Bewegung
setzen, um ein Menschenleben zu retten. Weißt du vielleicht, wo ich den besagten
Heinz-Willi Büchse finden kann?«
»Nein. Warum?«
»Weil wir schneller sein müssen
als Josef Lipperich.«
17.
Der Alte hatte wirklich nicht mehr alle Tassen
im Schrank. Aber er würde sich hüten, das laut auszusprechen, was er dachte. Niemals
würde er, gewissermaßen schon aus Selbstschutz, anderen sein Urteil über den Alten
mitteilen. Es war ratsam, im Fahrwasser des Alten mitzugleiten. Widerspruch wäre
unverzüglich und langanhaltend Grund für einen Liebesentzug gewesen – und ohne den
Alten war er nur ein Nichts, ein unbedeutender, vorbestrafter Kerl ohne Bindung
und ohne regelmäßige Berufstätigkeit, der erst seit kurzer Zeit wieder in Freiheit
war. Aber was der Alte jetzt von ihm verlangte, brachte ihn fast dazu, ihm die Gefolgschaft
aufzukündigen. Aber nur fast! Immerhin hielt ihn der Alte am Leben, anders gesagt,
ohne den Alten könnte er nicht leben. Der Alte hielt ihn wie einen Hund an der langen
Leine, konnte ihn jederzeit anbinden oder laufen lassen, einsperren oder ihm Freilauf
geben. Außerdem: Spielte es überhaupt noch eine Rolle, ob er einen weiteren Menschen
tötete oder nicht? Er würde dem Befehl des Alten folgen, auch wenn er eine gewisse
Sympathie für sein Opfer verspürte. Dessen Ermordung war quasi sein Sprungbrett,
sein Einstieg in eine neue Zeit, eine Beförderung. Wenn er dem Alten den Respekt
erwies und den Mord beging, würde auch der Respekt vor ihm bei dem Alten wachsen.
Da würde er sich nicht von Sympathie oder anderen Gefühlen leiten oder ablenken
lassen.
Der Plan war so simpel wie
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