Kardinalspoker
gemocht, mit dem Wagen nach Köln zu fahren.
Die ständigen Staus auf der Autobahn, das Schneckentempo auf der Aachener Straße
in Richtung Rhein, die ewige Suche nach einem Parkplatz; Köln war für ihn keine
Stadt für Autofahrer. Da zog er die ungestörte Bahnfahrt vor. Er ließ sich von Lieselotte
zum Hauptbahnhof bringen und freute sich auf die erholsamen Minuten im Zugabteil.
Er überlegte, was er Müller überhaupt
fragen sollte. Es schien abwegig zu glauben, der Kölner Oberbürgermeister würde
einen gewissen Heinz-Willi Büchse kennen, dessen Leben vielleicht in Gefahr war.
Was blieb sonst für das Gespräch? Dann legte er sich doch noch eine Strategie zurecht.
Vielleicht gab es einen Weg, Müller ein wenig zu kitzeln. Der Typ hatte es irgendwie
verdient, sagte sich Böhnke. Müller gab immer nur so viel preis, wie er von sich
geben musste, um seine eigene Wahrheit zu konstruieren. Aber sagte er auch immer
die Wahrheit?
Der Kölner Hauptbahnhof faszinierte
Böhnke immer wieder aufs Neue. Die Lebendigkeit der umherwuselnden Menschen, die
vielfältige Geschäftigkeit; hier könnte er tagelang verweilen und nur beobachten.
Er nahm sich zum wiederholten Male vor, einmal einen Tag und eine Nacht in dieser
speziellen Bahnhofswelt zu verbringen. Der Kölner HBF gefiel ihm deutlich besser
als die Hohe Straße, die vermeintliche Einkaufsstraße, das angebliche Gegenstück
zur Königsallee in Düsseldorf. Die Einkaufsmeile war auch nicht anders als die Einkaufsstraßen
in anderen Großstädten, vielleicht nur ein bisschen lauter, voller, hektischer.
Im Prinzip unterschied sich dieses Einkaufsviertel von anderen nur dadurch, dass
es die Privatbrauereien gab, die in den großen Gasthäusern ihr Kölsch vom Fass in
die durstigen Kehlen der Besucher fließen ließen.
Es bereitete Böhnke Mühe, den Fußweg zum Rathaus zu finden, das zwar
relativ nahe am Bahnhof gelegen war, aber bei Weitem nicht so dominierend war wie
etwa das Rathaus in Aachen. In Köln war es der Dom, der alles überragte und hinter
dem das Rathaus deutlich zurückstehen musste.
Angesichts
der für eine fast Millionenstadt vergleichsweise bescheidenen Größe des Rathauses
vermutete Böhnke nicht zu Unrecht, dass es noch einige externe Verwaltungsstellen
in anderen Bürogebäuden geben musste.
»So ist es«, bestätigte Müller freundlich.
Dank des neuen Stadthauses, das gemeinsam mit der neuen Veranstaltungshalle auf
der anderen Rheinseite gebaut worden war, seien einige Abteilungen endlich in die
Nähe des Oberbürgermeisters gerückt. »Meine Vorgänger waren fast den ganzen Tag
unterwegs, wenn sie einmal einen Amtsleiter besuchen wollten«, übertrieb er lächelnd.
Er hatte Böhnke, ganz der Rolle eines souveränen Hausherrn angemessen, in der Eingangshalle
des Rathauses empfangen. »Wenn Sie sich durchfragen müssen, dauert es eine Ewigkeit,
bis Sie in meinem Büro ankommen«, schmunzelte er. »Da hole ich wichtige Gäste gerne
persönlich ab, bevor sie sich verlaufen.«
»Und ich bin ein wichtiger Gast?«
»Selbstverständlich. Oder meinen
Sie etwa, es gehöre zum Alltag des Oberbürgermeisters von Köln, sich mit einem ausgewachsenen
Kriminalkommissar zu unterhalten? Außerdem: Habe ich etwas zu verbergen?« Er breitete
ergeben seine langen Arme aus und wirkte dadurch noch größer. »Es kann doch jeder
sehen, mit wem ich mich treffe. Ich habe keine Geheimnisse.« Müller sah ihn bittend
an. »Nur wenn Sie mich fragen, was es Neues wegen des beschissenen Pfuschs beim
Bau der U-Bahn gibt oder wie es mit dem Stadtarchiv weitergeht, da werde ich passen.
Das war vor meiner Zeit und ich habe verantwortliche Experten, die dazu Auskünfte
geben. Da bleibe ich bewusst außen vor.«
Böhnke schwieg dazu. Er folgte seinem
Gastgeber über Flure und Treppen und ließ sich schließlich in ein kleines, sachlich
möbliertes Besprechungszimmer führen, dessen Fenster den Blick in einen von Hauswänden
umgrenzten Innenhof freigaben.
»In meinem Büro hausen zurzeit die
Techniker«, sagte Müller entschuldigend. »Ich soll eine neue IT-Anlage erhalten.
Da hat man mich kurzerhand vertrieben.« Er lachte unbekümmert. »Willkommen in der
schönsten Stadt am Rhein, Herr Böhnke, wenn auch nicht im schönsten Zimmer. Was
kann ich für Sie tun?« Er bot seinem Gast einen Platz auf einem Bürostuhl an, öffnete
bereitwillig eine Mineralwasserflasche und füllte das Glas von Böhnke, der sich
an dem einfachen Tisch niedergelassen hatte.
»Gibt es was Neues
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