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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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sich, nicht ahnend, dass sein finaler Crash nicht
mehr lange auf sich warten lassen würde. Ihm war es einerlei, ob er mit seinem spendablen
Freund auf der anderen Rheinseite in der Altstadt einen bechern würde oder doch
lieber in Deutz. Hauptsache, es kostete ihn nichts.
    So torkelte er neben dem Kumpel
ins Freie und steuerte mit ihm eine fast neben der Arena liegende Kölsch-Kneipe
an.
    Sie tankten kräftig; erst kurz nach
drei war es so weit. Der Zwerg schaffte es noch nicht einmal mehr, seine Kölschstange
auf der Theke abzustellen. Mit dem Glas in der Hand, sackte er in sich zusammen.
    Es gelang ihm gerade noch, den besoffenen
Mann abzufangen. Ihn haltend, zahlte er mit der anderen Hand die Zeche. Dann verließ
er mit dem Zwerg im Klammergriff die Gaststätte, die er wohl nie mehr wieder aufsuchen
würde. Ein derartiges Sicherheitsrisiko, wiedererkannt zu werden, konnte er nicht
eingehen. Außerdem war Köln nicht seine Heimat. Das war Aachen und würde immer Aachen
bleiben. In Köln ›arbeitete‹ er bloß, wie er seine Tätigkeit für den Alten bezeichnete.
    Nun bestand seine Arbeit darin,
das begonnene Werk zu vollenden. Er hatte den schlafenden Zwerg geschultert und
machte sich auf den Weg zum Rhein und zur Hohenzollernbrücke, die ihn zum Dom und
zum Bahnhof bringen würde. Er käme dort alleine an. Die Brücke der Lebenden und
Liebenden würde für seinen arglosen, betrunkenen Begleiter die Brücke des Todes
werden, der Übergang über den Rhein der Übergang in die Ewigkeit.
    Wie er erwartet
hatte, war die Brücke menschenleer, nur spärlich beleuchtet, in einer unheimlichen
Ruhe liegend. Auch auf den parallel zum Gehweg verlaufenden Bahngleisen regte sich
nichts. Einzig einige Bügelschlösser schlugen im leichten Windzug unmelodisch gegen
das Gittergeflecht.
    Die Sitte von
Liebespaaren, sich mit einem Bügelschloss, das ihre Namen trug, an dem Brückengeländer
zu verewigen, war fast schon zu einem Problem geworden. Im Gitter gab es so gut
wie keine freien Plätze mehr. Manche Schlösser hatten sogar kleine Ableger bekommen
als Symbol für den Familienzuwachs. Vielleicht sollte man wie auf einem Friedhof
eine Zeitdauer beschließen. Nach 30 Jahren müsste man den Platz räumen.
    Der Zwerg
würde dieses Problem niemals kennen, weder das Schloss am Brückengeländer noch auf
einem Friedhof, dachte er sich. Noch einmal schaute er sich prüfend um. Er und sein
Opfer, sie waren allein. Entfernt hörte er ein Lachen aus Richtung Bahnhof, wahrscheinlich
von Menschen, denen er in wenigen Minuten begegnete. Ohne Empfindung warf er den
Zwerg über das Geländer. Er hätte nicht sagen können, ob er das Aufklatschen des
Körpers auf der Wasserfläche vernommen hatte oder nicht. War ihm auch egal. Es war
schnell gegangen und er war unverzüglich fortgelaufen. Der Zwerg war jedenfalls
in den Fluten des Rheins verschwunden. Vielleicht tauchte er wieder auf, vielleicht
bekam er nicht einmal mehr mit, wie ihm die Luft wegblieb, und er ertrank. Vielleicht
versuchte er noch, sich im schnellen Strom mittreiben zu lassen und das Ufer zu
erreichen.
    Aber der Zwerg würde es nicht schaffen,
sein Leben zu retten. Da konnte er sich ziemlich sicher sein. Zu dumm, dass der
Pimpf nicht schwimmen konnte. Pech für ihn, irgendwo zwischen Leverkusen und Düsseldorf
würde man seine angeschwemmte Leiche vielleicht finden, dachte er sich.
    Er möge ihn unbedingt anrufen und
Vollzug melden, hatte ihm der Alte aufgetragen, ›egal, zu welcher Tages- und Nachtzeit‹.
Nun denn, wenn er es denn so wollte, sagte er sich und tippte die Nummer ins Handy.
Er rechnete damit, den Anrufbeantworter zu aktivieren. Halb vier war ja nicht gerade
die beste Zeit für ein Telefonat. Umso größer war seine Überraschung, als sich der
Alte höchstpersönlich meldete.
    Er wirkte keineswegs unausgeschlafen,
sondern durchaus hellwach. »Ich höre!«
    Diese Einleitung hatte er sich wohl
aus einem Tatort-Krimi angeeignet, dachte er sich. Aber: ›Ich höre!‹, das hörte
sich immer noch besser an als ein ›Hallo!‹ oder ein ›Ja, bitte?‹ Auch er verzichtete
auf seine Namensnennung. »Auftrag ausgeführt. Der Schwimmunterricht hat begonnen.
Büchse macht gerade das Seepferdchen.« Danach beendete er das Telefonat. Er wusste,
der Alte würde seine Vollzugsmeldung ohnehin nicht kommentieren. Er hatte sich so
verhalten, wie es verabredet war. Der Lohn würde folgen. Da war er sich sicher.
Auf den Alten war Verlass.

18.
     
    Böhnke hatte es noch nie

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