Kardinalspoker
und seinem Stadtrat zu tun haben.«
Langsam ging er zur Ausgangstür.
»Ich muss zurück. In einer Stunde habe ich einen Termin.« Noch einmal wandte er
sich Böhnke zu.
»Wusstest du eigentlich, dass Kardinal
in Holland gearbeitet hat?«
»Nein.«
»Er war dort als freiberuflicher
Vertreter für Produkte der chemischen Industrie unterwegs. Das steht auf der CD,
einschließlich seiner Rundfahrten durch Limburg.«
22.
Gelegentlich fuhr ein Fahrzeug mit belgischem Kennzeichen durch Huppenbroich;
was niemand sonderlich beachtete. Schließlich lag die Staatsgrenze nur wenige Kilometer
westlich und da kam es immer wieder einmal vor, dass sich ein Belgier in diese Abgeschiedenheit
verirrte. Deshalb schenkte auch der dahinschlendernde Böhnke dem Pkw zunächst wenig
Aufmerksamkeit, dessen Fahrerin offensichtlich suchend durch den Ort fuhr. Er schaute
an der Kapelle dem vorbeifahrenden Fahrzeug hinterher und stutzte erst, als der
französische Kleinwagen in die Einfahrt zu seinem Hühnerstall einbog.
Frauenbesuch aus Belgien! Lieselotte
hätte etwas zu lästern, egal, was sich daraus entwickelte.
Die Frau wartete
vor der Haustür. Auf Ende 30 schätzte Böhnke sie, durchschnittlich gekleidet, durchschnittlich
groß, mittellanges, braunes Haar und normal unscheinbar, eben der Typ Nachbarin
und Hausfrau. In ihm wuchs die Ahnung, wer ihn besuchen wollte.
»Herr Böhnke?«,
fragte die Frau mit leiser Stimme.
»So ist es«,
sagte der Pensionär lächelnd. »Und Sie sind Frau Kardinal, nicht wahr?« Er freute
sich, dass auch die letzte Ansichtskarte, die er in Köln geschrieben hatte, ihren
Zweck erfüllt hatte. Höflich lud er die Frau in die Wohnung ein, brühte ihr wunschgemäß
einen Tee und forderte sie auf zu berichten. »Was führt Sie zu mir?«
»Ihre Karte«,
sagte die Besucherin spontan mit rheinischem Akzent, nachdem sie es sich in der
Küche bequem gemacht hatten. Dann lächelte sie. »Nein, natürlich die unselige Geschichte
mit meinem Mann. Der schafft es, selbst noch nach seinem Tod alle Welt in Aufruhr
zu bringen.« Trauer oder Betroffenheit waren in ihrer Stimme nicht zu hören.
Böhnke winkte
ab. »Fangen wir am besten von vorne an und Sie beantworten mir zunächst meine Fragen.
Einverstanden?«
Sie nickte und kramte in ihrer Handtasche
nach der Zigarettenschachtel. Stumm suchte Böhnke nach einem Aschenbecher, auch
wenn es ihm nicht gefiel, dass im Hühnerstall geraucht wurde. Aber manchmal musste
er Unannehmlichkeiten auf sich nehmen, wenn er ein Ziel erreichen wollte.
»Wieso kommen Sie mit einem Auto
aus Belgien zu mir?«
Die Frau lachte, und wenn sich dabei
Grübchen an den Wangen bildeten, sah sie sogar sehr nett aus, erkannte Böhnke.
»Der Wagen gehört dem Patenonkel
meines Sohnes Dieter. Er wohnt in der Nähe von Eupen. Der hat uns eingeladen, bei
ihm zu wohnen, bis die Sache mit Kardinal geklärt ist.« Sie sprach von dem Toten
wie von einem Fremden. Eine trauernde Witwe hätte wohl ›Wolle‹ oder ›Wolfgang‹ oder
›mein Mann‹ gesagt, aber sie sprach von ›Kardinal‹.
»Zwei Mal pro Woche hat mein Bekannter
beruflich in Köln zu tun. Dann schaut er in den Briefkasten meiner letzten Wohnung.
Ich hatte diesen Umzug noch nicht einmal dem Einwohnermeldeamt mitgeteilt. Erst
später habe ich die Adresse dem Bürgermeister mitteilen lassen. Deshalb habe ich
Ihre Karte auch relativ spät erhalten und konnte jetzt erst zu Ihnen kommen.«
»Und warum sind Sie überhaupt gekommen?«
Wieder zeigte die Frau ihre niedlichen
Grübchen. »Sie haben mich neugierig gemacht mit Ihrer Fragestellung: ›Können Sie
mir helfen, die Wahrheit über den Kardinal herauszufinden?‹« Noch einmal zog sie
an ihrer Zigarette, dann drückte sie die Kippe aus. »Ehrlich gesagt, bin ich froh,
dass das Ekel tot ist, und ich wünsche demjenigen, der ihn getötet hat, das Bestmögliche.
Kardinal war ein brutaler Taugenichts, ein skrupelloser Schmarotzer, eben ein richtiges
Ekelpaket.«
»Den Sie geheiratet
haben«, gab Böhnke zu bedenken.
»Das war der größte Fehler meines
Lebens, für den ich mächtig geblutet habe. Aber jetzt ist es Gott sei Dank vorbei.
Mein Sohn und ich, wir können neu anfangen.« Sie blickte sinnierend in die Teetasse.
»Ich war so eine dumme Kuh, die Brutalität und Skrupellosigkeit mit Kraft und Stärke
verwechselt hat. Als ich Kardinal vor knapp 15 Jahren kennen gelernt habe, wusste
ich doch gar nicht, wie das tatsächliche Leben lief. Ich hatte gerade meine
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