Kardinalspoker
in
eine große, dunkle Limousine gestiegen. In so eine, wie sie der Kölner Oberbürgermeister
fährt.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte
Böhnke verblüfft.
Seine Besucherin schmunzelte. »Ich
arbeite in einem Bekleidungsgeschäft für exklusive Herrenmode in der Nähe vom Hahnwald,
zu dem Müller immer mit seinem Auto gefahren ist. Er fährt das Modell, das Dieters
Patenonkel erkannt hat.«
»Und wovon leben Sie jetzt, wenn
Sie nicht mehr in Köln arbeiten?«
Die Frau schaute ihn verlegen an.
»Mir geht es endlich einmal gut. Sie müssen wissen, Dieters Patenonkel ist nicht
nur ein guter Bekannter. Ich habe mit ihm eine Beziehung begonnen. Schon vor etlichen
Monaten. Aber immer heimlich, damit ja keiner etwas mitbekommt.« Sie lächelte Böhnke
an. »Dieter und ich werden wohl in Eupen bleiben und Dieter wird dort in eine deutschsprachige
Schule gehen.«
Böhnke war
irritiert. Tat sich hier ein neues Fass auf? Hatten etwa die Witwe und der vermeintliche
Patenonkel ihre Finger im Spiel? Doch dann strich er diese Überlegung. Dann hätte
sich die Frau bestimmt nicht freiwillig aus ihrem Versteck getraut und wäre zu ihm
nach Huppenbroich gekommen. Aber absolut sicher konnte er nicht sein.
Die Frau hatte seine Nachdenklichkeit
bemerkt. »Wie gesagt«, betonte sie, »ich würde mich freuen, wenn Kardinals Ermordung
aufgeklärt wird, aber ich hoffe auf Milde für den Mörder. Ich spreche lieber mit
Ihnen als mit irgendeinem Polizisten oder so, auch wenn ich nicht genau weiß, was
Sie mit der Sache zu tun haben.«
Dies sei eine zu lange Geschichte,
um sie jetzt zu erzählen, wiegelte Böhnke ab. Er sei da irgendwie hineingerutscht
und käme nicht mehr heraus. Dass er damit auch einen Haufen Geld verdienen konnte,
verriet er nicht. Er übernahm wieder die Gesprächsführung. »Sie wissen, dass Kardinal
wieder arbeitete? In Holland. Als Vertreter für Produkte der chemischen Industrie.«
Hellauf musste die Frau lachen.
Sie verschluckte sich am Zigarettenqualm und hustete kräftig, bevor sie endlich
krächzend antworten konnte: »Sie sind wohl nicht von dieser Welt, Herr Böhnke? Oder
Sie haben das Kombinieren verlernt. Sie brauchen doch nur eins und eins zusammenzuzählen
und dann wissen Sie, wie der Hase läuft: Kardinal lebt mit einer Nutte zusammen,
hier wird ein Karton Präservative gesucht und Kardinal arbeitet in Holland.« Beim
Wort ›arbeitet‹ deutete sie mit den Händen Anführungszeichen an. »Wenn Sie mich
fragen, hat er in Holland in Nachtclubs und Bordellen die Präserautomaten mit Parisern
bestückt. Das ist«, sie verbesserte sich, »das war seine Welt. Die Kerle stecken
doch alle unter einer Decke. Das habe sogar ich mitbekommen als Heimchen am Herd
in meiner Leidenszeit mit Kardinal.« Sie erhob sich vom Küchenstuhl. »Kardinal konnte
immer schon mehr scheinen als sein, und wenn es sich nur um seine angebliche Berufstätigkeit
handelte. Chefredakteur, Ratsherr, international tätiger Vertreter für Produkte
der chemischen Industrie; was für ein Quatsch! Der Kerl war ein mehrfach vorbestrafter
Verbrecher. Und es ist gut, dass er tot ist, Herr Böhnke.«
Wie passten die Informationen zusammen? Böhnke wusste es nicht. Aber
es schien, als hinge über allem der Schatten des Kölner Oberbürgermeisters. Müller
war mit Kardinal im Bordell gewesen, eine Bordsteinschwalbe wird in Müllers Wagen,
angeblich Müllers Wagen, zur Wohnung von Kardinal gebracht, Müller war es vermutlich,
der einen Karton aus der Wohnung in Aachen geholt hatte. Auch schien es noch eine
aktuelle Beziehung zwischen Adamczik und Kardinal gegeben zu haben. Wozu sonst
hätte er sich bei der Ehefrau gemeldet, noch bevor Kardinals Tod offiziell gemeldet
worden war? Das konnte doch nur heißen, dass Adamczik in irgendeiner Weise daran
beteiligt gewesen war. Wahrscheinlich traf das auch auf Büchse zu. Da hatte anscheinend
die Seilschaft lange bestanden. War es noch Zufall, dass das Trio im Monat nach
Lipperichs Entlassung sterben musste, oder war es Lipperichs Plan gewesen?
Es war Böhnke zu anstrengend, die
Fäden zu verknüpfen. Aber in ihm wuchs das Gefühl, dass Lipperich vielleicht doch
unschuldig war. Ein Werbespruch kam ihm in den Sinn: ›Alles Müller oder was?‹ Müller
hatte offensichtlich großes Interesse daran, das Geschehen in seinem Sinne zu regeln.
Böhnke war gespannt, wie der Oberbürgermeister auf die CD reagieren würde.
Noch einen Anruf nahm er sich vor, kurz vor dem Zubettgehen. Er
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