Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
sich als schwarze Kuh. Auf ihr sitzt ein weißer Vogel, sie scheint ihn einfach zuignorieren. Zu heiß. Was in den schmalen Feldern wächst, kann ich nicht sehen, zu schnell sind wir unterwegs, eine süßliche Duftschwade nimmt mir fast den Atem. Ein Pick-up überholt uns in einer halsbrecherischen Aktion, auf der Ladefläche stehen sechs jüngere Männer und reden aufeinander ein. Sie tragen Shorts und Tanktops, jede Menge Muskeln, ihre dunkle Haut ist grau vor Staub.
„Sugar workers“ ‚ Zuckerarbeiter, erklärt mein Fahrer. Eine Rechtskurve, dann führt die Straße mitten durch ein Zuckerrohrfeld: Grüne Stangen, gut zweieinhalb Meter hoch, ein grün-strohiges Meer, in dem man sich klein vorkommt. Eine Maschine, ähnlich unseren Mähdreschern, frisst eine Schneise ins überhohe Gras. Das habe ich im Reiseführer gelesen: St. Jacobs ist eine der letzten Inseln, auf denen es tatsächlich noch jede Menge Zuckerrohr gibt. Auch wenn Anbau, Ernte und Verarbeitung inzwischen schwer defizitär sind. Die Zuckerindustrie ist staatlich, und sie ist der wichtigste Arbeitgeber.
Die Hotelhalle glänzt vor weißem Marmor, man hat Angst, auf dem spiegelnd glatten Boden auszurutschen. Die Temperatur ist für mich um fünf Grad zu niedrig eingestellt, aber das gehört hier wohl zum Luxus. Hohe Stromkosten. Die Rezeptionistin lächelt fröhlich, wie aus einem Karibik-Reiseprospekt: „Freundliche Einheimische heißen Sie willkommen.“
Mein Zimmer erweist sich als Suite. Der Wohnraum mit leichten Rattanmöbeln hat eine kleine Terrasse auf das Meer hinaus, das Schlafzimmer mit Himmelbett bietet einen Blick auf das Landesinnere, üppig grün, schon wieder Zuckerrohr und dahinter der Vulkankegel mit einem weißen Wölkchen um den Gipfel. Fast hätte ich das lang gestreckte, niedere Haus hinter dem Pleasures übersehen, es wirkt wie ein Wirtschaftsgebäude, ein übergroßer Schuppen für Geräte oder für mindere Angestellte. Um Ähnlichkeiten mit dem Bild auf dem Prospekt zu erkennen, muss man schon sehr genau hinsehen. Aber zweifellos: Das ist das Apartmenthotel Golden Sand. Wenn man mir diesen Kasten vor die Nase gesetzt hätte, ich wäre auch sauer. Ich will Vesna überraschen, aber vorher muss ich noch duschen. Das Badezimmer: Ein Traum in rosafarbenem Marmor.Hier lässt sich’s leben. Allerdings nur, wenn man nicht selbst dafür zahlen muss.
Mit feuchten Haaren gehe ich auf meine kleine Terrasse, das Meer ist aquamarinblau, eine lang gezogene Welle nach der anderen rollt heran, träge Bewegung, als sei hier selbst das Meer auf Urlaub, weiße Schaumkrönchen, eine Mischung aus Geruch nach Salz und Sand und etwas, das ich für Hühnersuppe halten würde. Ich zähle vierzehn Gäste in Liegestühlen, ausgebucht dürfte das Hotel nicht sein, es hat zweihundertsechzig Zimmer. Aber März ist wohl schon Nebensaison. Es wird mir nicht schwer fallen, über das Pleasures einen euphorischen Bericht zu liefern. Ganz wie es der Presseabteilung des Konzerns gefallen wird. Um halb acht habe ich einen Termin mit dem General Manager und der Resident Managerin. Entweder haben sie nicht viel zu tun, oder ich bin hier tatsächlich eine VIP. Kein übles Gefühl.
Hoffentlich ist Vesna da. Ich widerstehe der Versuchung, mich aufs Bett zu legen und mich von der Melodie der Wellen einschläfern zu lassen, schlüpfe in Shorts und Top. Ich sollte dringend fünf Kilo abnehmen, vielleicht auch acht. Aber was soll’s: Ich habe Urlaub und werde es mir gut gehen lassen. Außerdem: Ich bin alleine da, keine Notwendigkeit, bei irgendjemandem Eindruck zu schinden. Mein Bedarf ist gedeckt. Danke.
Ich gehe Richtung Garten, überall üppiges Grün, die Bewässerungsanlage macht klar, warum das Gras hier nicht so bräunlich ist wie am Straßenrand. Der Pool ist mindestens fünfundzwanzig Meter lang, das Dach der rundum offenen Bar hat man – als ob jemand vergessen könnte, wo sie sich befindet – mit Palmwedeln gedeckt. Hier sind die meisten der Liegestühle besetzt. Offenbar ziehen die Gäste Garten und Pool dem Sand und dem Meer vor. Meine Anwesenheit senkt das Durchschnittsalter beträchtlich, der Großteil der überwiegend älteren Herrschaften ist gebräunt, wirkt fit und reich genug, um sich den Luxus hier und auch überall sonst leisten zu können. Englische Wortfetzen, ein paar deutsche Worte. Ich gehe weiter, Hibiskusbüsche mit strahlend roten und orangen Blüten,dann endet der gepflegte Kiespfad, aber man kann ja auch übers Gras gehen. Büsche
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