Karibische Affaire
mit ihm darüber gesprochen, wie er ja überhaupt vermieden hatte, viel mit ihm in Berührung zu kommen. Denn Palgrave war nichts als ein langweiliger alter Kerl. Weshalb machte er sich nun Gedanken über die näheren Umstände dieses Todesfalls? War die alte Dame daran schuld? Aber die hatte doch gar nichts gesagt! Jedenfalls, was ging ihn das Ganze an, wenn sogar die Behörde alles in Ordnung fand? Die Flasche mit den Serenit-Tabletten hatte im Zimmer gestanden, und der alte Herr schien ganz offen mit den Leuten über seinen hohen Blutdruck gesprochen zu haben.
Dr. Graham drehte sich um und schlief weiter.
Außerhalb des Hotelgeländes, in einer der Bretterhütten am Flussufer, setzte das Mädchen Victoria Johnson sich im Bett auf. Sie war ein prächtiges Geschöpf mit einem Torso wie aus schwarzem Marmor gehauen. Während sie sich durch ihr schwarzes Haar strich, stieß sie ihren Schlafgenossen an.
»Wach auf, Mann!«
Der grunzte und drehte sich herum.
»Was ist denn? ’s ist doch noch Zeit!«
»Aufwachen sollst du! Ich will mit dir reden!«
Er richtete sich auf und streckte sich gähnend.
»Also, was hast du denn?«
»’s ist wegen des Majors, der gestorben ist. Etwas gefällt mir nicht daran – etwas stimmt da nicht.«
»Ach, lass doch! Was soll da schon sein. Er war eben alt, und jetzt ist er tot.«
»So hör doch zu, Mann! Es ist wegen der Pillen, nach denen mich der Doktor gefragt hat.«
»Was ist damit? Vielleicht hat er zu viele davon genommen?«
»Nein, das ist es nicht. Hör zu!« Sie lehnte sich zu ihm hinüber und sprach heftig auf ihn ein. Er aber gähnte nur und ließ sich wieder zurückfallen.
»Ich weiß nicht, was du willst, da ist doch nichts dran!«
»Egal, ich werd’ heute aber doch mit Mrs Kendal darüber reden. Ich hab’ das Gefühl, dass etwas da faul ist.«
»Ach, lass doch«, sagte der Mann, den sie ohne die erforderliche Zeremonie als ihren derzeit rechtmäßigen Gatten betrachtete. »Das gibt nur Scherereien.« Dann wälzte er sich gähnend wieder auf seine Schlafseite.
7
E s war vormittags, die Gäste waren am Hotelstrand.
Evelyn Hillingdon tauchte eben aus dem Wasser und ließ sich in den warmen gelben Sand fallen. Sie nahm ihre Badehaube ab und schüttelte kräftig ihren Kopf. Der Strand war nur klein, und die Leute kamen hier am Vormittag gern zusammen. Gegen halb zwölf gab es immer so etwas wie ein Gesellschaftstreffen.
Links von Evelyn lag in einem der exotisch wirkenden modernen Korbstühle Señora de Caspearo, eine hübsche Venezolanerin. Nahebei lag der Doyen des Golden Palm, Mr Rafiel, und führte ein Regiment, wie nur ein alter Invalide mit großem Vermögen es führen konnte. Esther Walters hielt sich zu seiner Verfügung. Gewöhnlich hatte sie Notizblock und Bleistift mit, für den Fall, dass Mr Rafiel dringende Geschäftstelegramme abzusenden wünschte. Mr Rafiel in Strandaufmachung wirkte unglaublich ausgedörrt, die trockene Haut hing ihm wie Girlanden um die Knochen. Obwohl er aussah wie ein Mann an der Schwelle des Grabes, war dieses Aussehen während der letzten acht Jahre unverändert geblieben. So wurde zumindest behauptet. Die blauen Augen blickten noch immer scharf aus dem zerknitterten Gesicht, und sein Hauptvergnügen bestand darin, alles, was die anderen sagten, strikt zu verneinen.
Auch Miss Marple war anwesend. Sie saß still da wie gewöhnlich, strickte, hörte zu und beteiligte sich gelegentlich an der Unterhaltung. Sooft sie das tat, waren alle überrascht, denn sie vergaßen für gewöhnlich ihre Anwesenheit. Evelyn Hillingdon betrachtete sie mit Nachsicht und verglich sie im Stillen mit einer netten alten Katze. Señora de Caspearo rieb noch mehr Sonnenöl auf ihre langen, attraktiven Beine und summte dazu. Sie redete nie viel. Jetzt blickte sie die Flasche mit dem Sonnenöl unzufrieden an.
»Es ist nicht so gut wie Frangipanio«, sagte sie traurig. »Aber das bekommt man hier nicht, leider!« Dann senkte sie wieder den Blick.
»Wollen Sie jetzt Ihr Bad nehmen, Mr Rafiel?,« fragte Esther Walters.
»Ich gehe, wenn’s mir passt«, sagte Mr Rafiel bissig.
»Es ist schon halb zwölf«, sagte Mrs Walters.
»Na und?«, knurrte Mr Rafiel. »Glauben Sie, ich bin der Sklave meiner Uhr? Zur vollen Stunde das, zwanzig Minuten später jenes, vierzig Minuten später schon wieder was – bäh!«
Mrs Walters hatte Mr Rafiel lange genug betreut, um für den Umgang mit ihm ein eigenes Verfahren entwickelt zu haben. Da sie wusste,
Weitere Kostenlose Bücher